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Memoria e Ricerca

La Reichswehr come agente politico nella Repubblica di Weimar

di Christoph Jahr
in Memoria e Ricerca n.s. 28 (2008), p. 73


Die Reichswehr als politischer Akteur in der Weimarer Republik
 
 
„Wir erwarten ganz vergebens, daß der Gemeingeist der Engländer, Franzosen und anderer bei uns erwachen werde, wenn wir nicht dem Militär die Schranken anweisen, welche es in allen Ländern, wo Gemeingeist herrscht, nicht überschreiten darf.“ Dieses Zitat des preußischen Staatsmanns Freiherr vom Stein aus der Zeit der Preußischen Reformen stellte der amerikanische Historiker Gordon A. Craig seiner Studie „Die preußisch-deutsche Armee 1640-1945“ voran. Die Armee habe, so Craig, lange Zeit „ihre autonome Stellung im Staate verteidigt, alle Versuche, ihr verfassungsmäßige Schranken aufzuerlegen, abgewehrt und gerade damit Deutschlands Entwicklung zur Demokratie vereitelt“[1], sich dann jedoch Hitler vollständig unterworfen.
Fast gleichzeitig hatte Craigs britischer Historikerkollege John Wheeler-Bennett dasselbe Zitat des Freiherrn vom Stein zum Anlaß genommen, um über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges nachzudenken. „Kein prophetischeres Wort“, so Wheeler-Bennett, „hätte über die Zukunft Deutschlands gesprochen werden können, und es ist eine tragische Ironie der Geschichte, daß der Mann, dem es gelang, die deutschen militärischen Führer in Grenzen und Schranken zu halten – aber zu ganz anderen Zwecken als denen, die Stein vorgeschwebt hatten –, Adolf Hitler war.“[2]
Wer sich, wie Craig oder Wheeler-Bennett, nach 1945 mit der politischen Geschichte der Weimarer Republik befaßt, tat und tut das vor allem, um Antworten auf die Frage zu finden: warum scheiterte diese erste deutsche Demokratie und wurde vom Nationalsozialistischen Regime abgelöst?[3] Als eine der Ursachen des Scheiterns der Weimarer Republik gilt die Tatsache, daß es weder gelang, die alten Eliten des Kaiserreichs zu entmachten, noch, sie dauerhaft mit der neuen demokratischen Gesellschaftsordnung auszusöhnen. Das trifft nicht zuletzt für die Armee als Institution und für große Teile des Offizierskorps zu, die einen überproportionalen Einfluß auf das Schicksal Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten, weil es nicht gelang, die Armee wirksam und dauerhaft unter politische Kontrolle zu bringen. Der Rückblick auf die Zeit vor 1933 hatte aber auch einen ganz aktuellen Bezug. Denn Mitte der Neunzehnhundertfünfziger Jahre stand die Frage zur Debatte, ob die Bundesrepublik Deutschland wiederbewaffnet und Mitglied der NATO werden sollte. Daher war es nicht nur für die westdeutschen Politiker, sondern auch für die Westalliierten von zentraler Bedeutung, wie die politische Kontrolle der zukünftigen Bundeswehr und ihre Einbindung in ein supranationales Verteidigungsbündnis sichergestellt werden kann.[4]
Aufgrund dieser doppelten Bedeutung ist die politische Rolle der Reichswehr in der Weimarer Republik sehr gut erforscht, vor allem die Frage, welchen Anteil sie an ihrer Zerstörung hatte. Diese Zuspitzung ist ebenso verständlich wie notwendig gewesen, birgt jedoch auch die Gefahr in sich, die Komplexität der Interaktion und gegenseitigen Interdependenz staatlich-politischer, militärischer und gesellschaftlicher Akteure zu reduzieren. Unter Ausblendung der vergleichenden europäischen Perspektive erscheint die Situation der Jahre 1918 bis 1933 in Deutschland auch schnell als ein dramatischer historischer Sonderfall, als Teil eines fatalen, antiwestlichen deutschen „Sonderweges“.[5]
Eine weitere Problematik vieler Darstellungen zum Thema „Reichswehr und Republik“ besteht in einer starken Fixierung auf wenige handelnde Personen. Es reicht jedoch nicht aus, nur jeweils zu fragen, was die kurzfristigen und langfristigen Absichten dieser Personen waren, sondern vor allem, in welchem gesellschaftspolitischen Rahmen sie sich bewegten.
Schließlich sollte bedacht werden, daß es nicht unproblematisch ist, die Kategorien „Militär“ und „Politik“ einander so gegenüberzustellen, als wäre es von vorneherein klar, was damit gemeint ist. Die von Gerhard Ritter vorgenommene klassische Trennung von „Staatskunst und Kriegshandwerk“[6] ist insofern irreführend, als sie den Bedingungen der Militärpolitik im Zeichen des „totalen Krieges“ nicht gerecht wird. Das Verhältnis von Politisierung des Militärs und Militarisierung der Politik war ein von zahlreichen außen- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und Verflechtungen abhängiges Wechselspiel, in dem eine autonome Politik der Reichswehr grundsätzlich nicht möglich war.[7] 
Um diese Probleme zu vermeiden, soll im folgenden untersucht werden, wie die historischen Bedingungen und Strukturen aussahen, in denen die Reichswehr als politischer Akteur in der Weimarer hervortrat, welches ihre politischen Ziele waren und wie sie versuchte, diese zu erreichen. Wichtig ist es dabei, die Reichswehr im Gefüge mit den anderen politischen und gesellschaftlichen Akteuren zu analysieren. Diese Konstellation veränderte sich im Lauf der kurzlebigen Weimarer Republik mehrfach. Sie bestimmten auch die Handlungsmöglichkeiten derjenigen Personen, die an den zentralen Stellen in der Reichswehrführung tätig waren.
 
 
1. Die Weimarer Republik und ihre Phasen
 
Zunächst ist es wichtig, sich die grundsätzliche Konstellation des Verhältnisses der Reichswehr zur Politik und zum politischen System der Weimarer Republik in Erinnerung zu rufen. Die Geschichte der Weimarer Republik wird gewöhnlich in drei Phasen eingeteilt. Die erste Phase war von der revolutionären Umwälzung im November 1918 und von zahlreichen, darauf folgenden politischen Unruhen und ökonomischen Turbulenzen gekennzeichnet. Sie fand ihren Abschluß im „Krisenjahr“ 1923 mit der Niederschlagung Kommunistischer Aufstandsversuche in Mitteldeutschland einerseits und des von Adolf Hitler inszenierten „Bierhallenputsches“ in München andererseits. Die darauf folgende zweite Phase reichte bis 1929/30. Sie war zwar von einer relativen politischen und ökonomischen Stabilisierung geprägt, die aber nicht zu einer dauerhaften Annäherung der verfeindeten politischen Lager führte. Letztlich war die Stabilität der mittleren Phase nur eine Pattsituation, in der keine Seite die andere überwältigen konnte. Wie fragil die innenpolitische Situation in Deutschland war, zeigte sich in der dritten Phase. Diese war wiederum von ökonomischen Turbulenzen (Weltwirtschaftskrise) und politischer Radikalisierung (NSDAP und KPD) gekennzeichnet, die zeitweise bürgerkriegsähnliche Formen annahm. Zugleich entwickelte sich das politischen Systems rasant hin zu einem autoritären Staat, der ab dem 30. Januar 1933 schließlich in die nationalsozialistische Diktatur mündete.
 
Für die Geschichte der Reichswehr waren diese Rahmenbedingungen natürlich von großer Bedeutung, denn in Zeiten politischer Instabilität und des latenten Bürgerkrieges ist das Verhalten der Armee naturgemäß besonders wichtig. Doch neben den allgemeinen politischen Zäsuren kannte die Geschichte der Reichswehr auch ihre eigenen Phasen, die nicht zuletzt von sehr unterschiedlichen Konzeptionen über die Funktion und den Aufbau der Armee sowie ihre Rolle in der Politik geprägt war. Um zu verstehen, was ab Ende 1918 geschah, ist es zunächst notwendig, kurz die Stellung der Armee im Deutschen Kaiserreich und im Ersten Weltkrieg zu beleuchten.
 
 
2. Das Erbe des Kaiserreichs
 
Die Armee hatte im Kaiserreich nicht nur hohes Ansehen genossen, sondern auch eine politische Stellung, die vor allem dadurch gekennzeichnet war, daß zentrale Bereiche politischer Kontrolle durch den Deutschen Reichstag entzogen waren. Die im preußischen Verfassungskonflikt 1862-1866 von Otto von Bismarck durchgesetzte Abwehr parlamentarischer Kontrolle der Armee hatte sich nach 1871 im Kaiserreich fortgesetzt. Es gab auf Reichsebene keinen Kriegsminister. Stattdessen übte der preußische Kriegsminister de facto diese Funktion aus. Daneben gab es auch Kriegsministerien in den drei anderen Königreichen: Bayern, Sachsen und Württemberg. Doch selbst diese Kriegsministerien übten die politische Leitungsfunktion nur begrenzt aus. Sie hatten stattdessen eher den Rang von Verwaltungsbehörden.
 
Die eigentliche Kommandogewalt übte allein der Kaiser aus, ohne die offizielle Möglichkeit irgendeiner Einfluß- und Kontrollmöglichkeit durch irgendeine andere Instanz. Daher waren der Kaiser mit seinem „Militärkabinett“ bzw. „Marinekabinett“, die für die Personalpolitik zuständig waren, und der Große Generalstab, der die militärische Planung koordinierte, die eigentlichen Machtzentren, die die Verbindung von Militär und Politik herstellten. Im Ersten Weltkrieg verlor Wilhelm II. rasant an Bedeutung.[8] Die wichtigsten operativen und strategischen Entscheidungen wurden vom Chef des Generalstabs des Feldheeres getroffen. Seit Paul von Hindenburg dieses Amt im August 1916 von Erich von Falkenhayn übernommen hatte, bildete sich so etwas wie eine „stille Militärdiktatur“[9] heraus, deren führender Kopf Erich Ludendorff als „Erster Generalquartiermeister“ war. Diese Oberste Heeresleitung (die „3. OHL“) sorgte unter anderem dafür, daß zum 1. Februar 1917 der unbeschränkte U-Bootkrieg eröffnet wurde, was die Kriegserklärung der USA gegen Deutschland zur Folge hatte. Damit nicht genug, die OHL war auch die treibende Kraft dafür, daß im Juli 1917 der Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg entlassen wurde, weil er als zu kompromißbereit nach innen und außen erschien.
 
Über den Kriegsverlauf wurden die politische Führung und der Reichstag dagegen im Unklaren gelassen. Daher war es für die politische Führung, aber auch die deutsche Öffentlichkeit ein großer Schock, als Ludendorff am 29. September 1918 bekanntgab, daß der Krieg verloren sei und von den Politikern forderte, ihn sofort zu beenden. In den folgenden Wochen überschlugen sich die Ereignisse, wobei die Armeeführung weiterhin viele Fäden in der Hand behielt. So drängte die Armeeführung darauf, daß das politische System im Oktober 1918 in Richtung auf eine parlamentarische Monarchie hin reformiert wurde. Das geschah aus zwei Gründen. Zum einen hoffte man, dadurch einige Forderungen von Wilsons „14-Punkte-Programm“ zu erfüllen und mildere Friedensbedingungen zu erreichen; zum anderen sollte die Verantwortung für die Kriegsniederlage auf die zivile politische Führung abgeschoben werden. Die Absicht, die Politiker – und hier vor allem diejenigen der SPD, aber auch der Liberalen Parteien und des katholischen Zentrums – zu Sündenböcken der Niederlage zu machen, sprach Ludendorff am 1. Oktober 1918 vor seinen Offizieren klar aus: „Die sollen nun den Frieden schließen, der jetzt geschlossen werden muß. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben.“[10]
 
 
3. Armee und Revolution
 
Als am 29. Oktober 1918 Ludendorff durch Wilhelm Groener abgelöst wurde, begann für die Armee im gewissen Sinn die nach-monarchische Zeit, auch wenn das an diesem Tag noch nicht absehbar war. Denn am Tag zuvor waren die sogenannten „Oktoberreformen“ in Kraft getreten, durch die das Deutsche Reich zu einer parlamentarischen Monarchie wurde, in der in Zukunft der Reichstag wesentlich mehr Rechte haben würde als bisher. Doch am 29. Oktober begann auch die Meuterei der Matrosen der deutschen Hochseeflotte, die sich weigerten, für eine militärisch sinnlose letzte Schlacht gegen die Britische Flotte auszulaufen. In kürzester Zeit breitete sich die Meuterei in der ganzen Marine und schließlich auch im Heimatheer aus, so daß aus der verspäteten Reform der Monarchie eine Revolution wurde.
 
Daß die Armee, ob sie wollte oder nicht, ein zentraler politischer Akteur sein mußte, ergab sich also schon aus der Entstehungssituation der Weimarer Republik, die unmittelbar aus der Kriegsniederlage des Kaiserreiches und dem Sturz der Monarchie hervorging. Im November und Dezember 1918 war es zunächst Groener, der an entscheidender Stelle den unblutigen und weitgehend geordneten Übergang vom Kaiserreich zur Republik mit ermöglichte.[11] Einerseits übernahm Groener die undankbare Aufgabe, den Kaiser zur Abdankung und Flucht ins Exil zu drängen, was ihm später von monarchistischen Offizieren immer wieder zum Vorwurf gemacht wurde. Andererseits stellte Groener sich und die Armee der neuen provisorischen Regierung in Berlin zur Verfügung. Eine weitere, in ihrer Bedeutung häufig unterschätzte Figur, war Oberst Walther Reinhardt, der seit dem 29. Dezember 1918 als letzter Preußischer Kriegsminister amtierte.[12] Auch Reinhardt war bereit, mit der neuen provisorischen Regierung (dem „Rat der Volksbeauftragten“), zusammenzuarbeiten, war aber auch der Anlaß für deren Auseinanderbrechen. Als die linkssozialistische Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) am 3. Januar 1919 aus der provisorischen preußischen Regierung austrat, war die Ernennung Reinhardts zum Preußischen Kriegsminister eine der Ursachen dafür.
 
So wichtig die Handlungen der führenden Persönlichkeiten in diesen Tagen auch gewesen sind, letztlich hatten sie nur begrenzte Handlungsspielräume, die sich hauptsächlich aus den Bedingungen einer hochentwickelten Industriegesellschaft ergaben, in der tiefgreifende Umwälzungen nur um den Preis eines völligen Zusammenbruchs der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung erkauft werden konnten, wie das beispielsweise in Russland seit 1917 zu beobachten war. So prekär die Lage der Arbeiterschaft und anderer unterprivilegierter Schichten auch gewesen sein mag: sie hatten weitaus mehr zu verlieren als nur ihre Ketten, so daß die Aufrechterhaltung der Ordnung auch in ihrem Interesse war.
Der Gedankengang, daß eine Art „Anti-Chaos-Reflex“ die gemäßigt-sozialistische Sozialdemokratische Partei (MSPD) – und erst Recht natürlich die bürgerlichen Parteien – daran gehindert habe, die revolutionäre Situation des November 1918 entschiedener zur umfassenden demokratischen und sozialen Reformen zu nutzen, ist von dem SPD-Theoretiker Eduard Bernstein bereits 1921 formuliert und von Richard Löwenthal weiterentwickelt worden.[13] Sie läßt sich, mutatis mutandis, aber auch zur Erklärung des Verhaltens derjenigen Teile der konservativ-monarchischen Eliten heranziehen, die sich zur Kooperation mit der Republik bereitfanden. Für die Armeeführung hätte jede andere Politik als die der Kooperation eine unverantwortliche Katastrophenpolitik bedeutet, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine völlig unkontrollierbare Dynamik gewonnen hätte. Nicht nur die Arbeiterschaft und die SPD, sondern gerade auch die militärischen Eliten hatten zu viel zu verlieren, um das riskieren zu können.[14]
Angesichts dieser Umstände ist es wenig erstaunlich, daß Groener der relativ sanfte Übergang vom Kaiserreich zur Republik gelang. Ein wichtiger Faktor war, daß Reichskanzler Ebert von der MSPD um jeden Preis verhindern wollte, daß sich die Revolution radikalisierte, wobei die Ereignisse in Rußland seit 1917 als abschreckendes Beispiel dienten. Groener war in gewisser Weise ein idealer Partner für diese Politik, hatte er doch bereits im Weltkrieg als Leiter des „Kriegsamtes“ bewiesen, daß er in der Lage war, den Interessenausgleich zwischen der Armee und verschiedenen politischen Parteien herzustellen. Groener war es schon früh bewußt, daß er auf Dauer nur mit, nicht gegen die Politiker und Parteien – und zwar vor allem auch der SPD und der Arbeiterschaft – der Einfluß ausüben konnte. Wie genau das mythenumrankte Telephongespräch zwischen Ebert und Groener am Abend des 10. November 1918 verlief, ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Auf diese Weise profitierte auch die Armee davon, daß die MSPD weitgehend darauf verzichtete, die ihr durch die Revolution in die Hände gefallene Macht konsequent zur Entmachtung der alten, monarchischen Eliten in Staat, Verwaltung und Militär zu nutzen.
 
Es gab gute Gründe für diese Entscheidung, den Weg der weiterer Reformen statt den einer Anheizung der Revolution zu gehen, doch sie hatte auch einen hohen Preis: Es würde, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, so auch beim Militär keine grundlegende Umformung der Kaiserlichen Armee, keine Demokratisierung ihrer Struktur geben. Die alten Kommandostrukturen blieben intakt und auch die Wirkungsmöglichkeiten der in den letzten Kriegstagen überall entstandenen Soldatenräte blieben begrenzt.
Bei der Abwehr weiterer Reformversuche half Groener die Tatsache, daß die anfänglich so ruhig verlaufene Umsturz der Monarchie seit Ende Dezember 1918 in immer gewaltsamere Bahnen geriet. In Berlin kam es zu ersten blutigen Kämpfen, am 29. Dezember traten die Mitglieder der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) aus der provisorischen Reichsregierung aus, zwei Tage später wurde die Kommunistische Partei (KPD) gegründet und Deutschland trat in eine mehrmonatige Phase bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen ein. Ohne den Einsatz von Militär im inneren wäre es wahrscheinlich nie zur Gründung der Weimarer Republik als liberal-demokratischer, parlamentarischer Verfassungsstaat gekommen.
Das darf freilich nicht mißverstanden werden im Sinne der lange vertretenen These, es habe 1918/19 nur die Alternative zwischen einer blutigen Revolution nach Sowjetrussischem Vorbild einerseits oder einem Zusammengehen der Regierung mit den alten Eliten in Staat und Armee andererseits gegeben. Die intensive Erforschung der revolutionären Anfangszeit der Republik hat gezeigt, daß es tatsächlich Handlungsspielräume gegeben hätte, die zu einer tiefer greifenden Demokratisierung geführt hätten. Sie wurden in der Zeit, als die Politik noch „plastisch“[15] war, nicht genutzt und diese Versäumnisse konnten später nicht mehr ausgeglichen werden. Die MSPD hatte sich aus der Furcht vor der „Bolschewisierung“ Deutschlands stärker als nötig auf die alten Eliten gestützt. Sie schreckte vor vielen gesellschaftlichen Veränderungen zurück, die der Republik eine festere Basis gegeben hätten.
 
Die Sicherung von Ruhe und Ordnung ist eigentlich eine klassische Aufgabe der Polizei, nicht der Armee. Die Polizei unterstand in der Weimarer Republik jedoch den jeweiligen Bundesstaaten. Eine unmittelbare Verfügungsgewalt des Reiches über die Polizei gab es daher nicht und so stand der Reichsregierung allein die Reichswehr als Exekutivorgan zur Verfügung. Über deren Einsatz im Inneren bestimmte der am 29. Dezember 1918 zum „Volksbeauftragten für Heer und Marine“ und am 13. Februar 1919 zum Reichswehrminister ernannte MSPD-Politiker Gustav Noske.[16] Die Art und Weise, in der Noske das Militär zur Niederschlagung der inneren Unruhen einsetzte, muß in zweierlei Hinsicht als äußerst problematisch charakterisiert werden. Zum einen wandte er die militärische Gewalt in völlig überzogener Weise an, denn die „bolschewistische Gefahr“, derer er sich zu erwehren meinte, war viel geringer, als er annahm. Zum anderen, und das ist vielleicht noch verheerender gewesen, stützte er sich nicht primär auf reguläre Truppen, sondern auf Freikorpsverbände. Diese bestanden überwiegend aus Soldaten und Offizieren, die politisch sehr weit rechts standen und daher weniger für die Republik als gegen den „Bolschewismus“ kämpften.
 
Auch im zweiten großen Thema in Noskes Amtszeit als Reichswehrminister war seine Erfolgsbilanz ernüchternd. Die MSPD war zwar keine pazifistische Partei, da sie die Verteidigungskriege grundsätzlich akzeptierte. Sie hatte aber stets das Ziel verfolgt, die Armee strenger politischer, vor allem parlamentarischer Kontrolle zu unterwerfen. In diesem Punkt traf sie sich auch mit der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), mit der zusammen sowie der katholischen Zentrums-Partei die SPD die Innenpolitik bis 1920 bestimmte.
Noske hatte das Ziel, die Armee zu einem loyalen Instrument der Republik zu machen, und dieses Programm der „Republikanisierung“ hatte im Wesentlichen zwei Ziele:
1) Die Armee sollte unter der Kontrolle eines dem Reichstag verantwortlichen Reichswehrministers stehen
2) der künftige Offiziersnachwuchs sollte auf dem Boden der neuen Staatsform stehen.
Zu beiden Punkten ist zu bemerken, daß Noske es versäumte, tiefgreifende Reformen zur Demokratisierung der Armee durchzuführen. Zwar wurde bereits im Januar 1919 durch Verordnungen und dann durch das vorläufige „Reichswehrgesetz“ vom 3. Juni 1919 und die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 der Primat der Politik im Prinzip festgeschrieben. Im endgültigen „Reichswehrgesetz“ vom 23. März 1921 hieß es daher in § 1 schlicht: „Die Wehrmacht der deutschen Republik ist die Reichswehr“[17]. Damit war der Transformationsprozeß der kaiserlichen Armee in die Reichswehr der Weimarer Republik im wesentlichen abgeschlossen. Der Reichspräsident übte den Oberbefehl aus, der Reichswehrminister hatte die Befehlsgewalt und war dem Reichstag rechenschaftspflichtig. Der „Chef der Heeresleitung“ als höchstrangiger Soldat war dadurch fest in politische Kontrollstrukturen eingebunden.[18] Soweit die Verfassungstheorie – die Verfassungspraxis sah jedoch ganz anders aus, nicht zuletzt, weil das Verhältnis zwischen den Befugnissen des Reichspräsidenten und des Reichswehrministers nicht widerspruchsfrei war.
 
 
4. Die „Ära Seeckt“
 
Das Scheitern des Versuchs der Republikanisierung der Armee lag freilich nicht nur an den Widersprüchen der Reichsverfassung. Es ist eng mit der Person des Generals Hans von Seeckt verknüpft, der seit 1920 zunehmend die Politik der Reichswehr bestimmte.[19] Noch als „Chef des Truppenamts“ im Reichswehrministerium spielte Seeckt eine zwielichtige Rolle während des Kapp-Putsches im März 1920. Mit dem berühmten Satz „Truppe schießt nicht auf Truppe“ weigerte er sich, Reichswehrtruppen zur Niederschlagung des Aufstandes – an dem mit Walter von Lüttwitz auch ein aktiver General führend beteiligt war – einzusetzen, was den Rücktritt des Reichswehrministers Noske und des inzwischen zum „Chef der Heeresleitung“ aufgestiegenen Reinhardt zur Folge hatte. Die Chance, den Primat der Politik gegenüber dem Militär langfristig durchzusetzen, war vertan und kehrte nicht mehr wieder.[20]
 
Reinhardts Nachfolger wurde im Juni 1920 Seeckt. Der „Chef der Heeresleitung“ war faktisch der Generalstabschef der Reichswehr, der nicht so hieß, weil es gemäß dem Versailler Vertrag keinen Generalstab geben durfte. Über Seeckts politisches Denken und seine Haltung gegenüber der Republik ist viel geschrieben worden.[21] Seine Loyalität galt nicht der demokratischen Republik als Regierungsform, sondern einer abstrakten Staatsidee: „’Hände weg vom Heer!’ rufe ich allen Parteien zu. Das Heer dient dem Staat, nur dem Staat, denn es ist der Staat.’“[22] In dieser Äußerung Seeckts von 1929 wird deutlich, daß er Staat und Reichswehr gleichsetzte. In einer Zeit, in der die Gesellschaft durch Demokratisierung und Pluralisierung aus der Sicht des konservativen Offizierskorps zunehmend an Halt zu verlieren schien, maßte sich die Reichswehr an, nicht nur „die Nation“ zu verkörpern, sondern auch die einzige zuverlässige Stütze „des Staates“ zu sein. Das war alles andere als eine „unpolitische“ Haltung und bedeutete im günstigsten Fall die Abstinenz von unmittelbaren Eingriffen in die Tagespolitik. Seeckt war kein „Vernunftrepublikaner“, aber realistisch genug, um sich nicht in unkalkulierbare Abenteuer zu stürzen. Obwohl er am 9. November 1923 von Reichspräsident Ebert die vollziehende Gewalt übertragen bekam, widerstand er der Versuchung, auf dieser Basis eine Militärdiktatur unter seiner Führung zu errichten. Seeckt selbst erblickte in seinem Widerstand gegen die „Republikanisierung“ der Reichswehr den Grund für seine Entlassung im Herbst 1926 und machte dafür den „Gegensatz zwischen dem demokratisch-parlamentarischen System“ und ihm als „dem Repräsentanten des alten Deutschlands und der überragenden Stellung seiner Armee“[23] aus.
 
In den sechs Jahren von 1920 bis 1926 gelang es Seeckt, ein an den traditionellen Werten und Vorstellungen des Kaiserreichs orientiertes, national-konservatives Eliteheer aufzubauen, das später einmal, sobald es die außenpolitischen Bedingungen zuließen, zum Kern eines neuen Massenheeres werden sollte. Weil die Reichswehr entsprechend den Vorschriften des Versailler Vertrages auf 100.000 Mann reduziert werden mußte, konnte das Offizierskorps gezielt so ausgewählt werden, daß seine soziale und mentale Homogenität definitiv größer war als im Ersten Weltkrieg, vielleicht sogar größer als in den letzten Jahren vor 1914.[24] Das Ziel einer Restaurierung der Monarchie trat vor allem für die jüngeren Offiziere allerdings zusehends in den Hintergrund.
Das Wertesystem dieses Offizierskorps läßt sich schnell beschreiben.[25] Im Mittelpunkt standen die klassischen „soldatischen Tugenden“ wie Tapferkeit, Disziplin, Gehorsam und, vor allem, der Glaube an Deutschlands militärische Großmachtstellung, die es so schnell wie möglich wiederzugewinnen gelte. Als größtes Hindernis auf diesem Weg galt den meisten Offizieren das parlamentarisch-demokratische Regierungssystem und die Vielzahl an politischen Parteien. Viele Offiziere entwickelten dabei ein manifestes Feindbild, wie es beispielsweise in einem Schreiben Werner von Fritschs (des späteren Chefs der Heeresleitung unter Hitler) an Joachim von Stülpnagel im November 1924 deutlich wurde: „Denn letzten Endes sind Ebert, Pazifisten, Juden, Demokraten, Schwarzrotgold und Franzosen alles das gleiche, nämlich Leute, die die Vernichtung Deutschlands wollen.“[26] Vor allem unter den jüngeren Offizieren fanden die nationalsozialistischen Ideen Gehör, wie der Prozeß gegen eine Gruppe konspirierender Offiziere im Jahr 1930 zeigte.[27]Aber auch höhere Offiziere wie Walter von Reichenau standen der radikalnationalistischen und völkischen Rechten nahe oder waren, wie Werner von Blomberg, 1933 zur unbegrenzten Kooperation mit der NSDAP bereit.[28] Nur eine verschwindende Minderheit von Offizieren – die bekanntesten waren die ehemaligen Generale Berthold von Deimling und Paul von Schoenaich – fand demgegenüber den Weg ins republikanische Lager und zum Pazifismus.[29]
 
Diese oft als „Staat im Staate“ beschriebene Stellung der Reichswehr und die Abkapselung des Offizierskorps von der Gesellschaft wären nicht möglich gewesen, ohne das Versagen der Politiker und Parteien. Der von 1920 bis 1928 amtierende Reichswehrminister Otto Geßler von der DDP gab faktisch den Anspruch auf politische Kontrolle der Reichswehr auf und ließ Seeckt freie Hand, und zwar nicht aus Schwäche, sondern aus Überzeugung. Er lehnte die Forderung nach einer Republikanisierung der Armee ab, denn darauf, so verkündete er vor dem Reichstag, gebe es „nach der Verfassung […] gar kein Recht“[30]. Geßler beschied sich mit der Rolle eines Verwaltungschefs, der die Politik ausführen, aber nicht aktiv gestalten wollte.[31] So führt kaum ein Weg an dem Urteil vorbei, daß Geßler aufgrund seiner monarchischen Gesinnung „als Reichswehrminister fehl am Platze war.“[32]
 
Auch die drei großen Parteien, aus deren Zusammenwirken die Weimarer Republik entstanden war, stellten sich den politischen Ambitionen der militärischen Elite nicht entschieden genug in den Weg. Die Militärpolitik der SPD scheiterte vor allem daran, daß zwischen dem linken, militärkritischen Parteiflügel und dem rechten Parteiflügel, der eine Kooperation wünschte mit dem Ziel, eine mit der demokratischen Ordnung versöhnte Reichswehr zu schaffen, keine Einigung herstellbar war. Das wurde nirgends so deutlich wie bei der erbitterten Auseinandersetzung um den Bau des „Panzerkreuzers A“, als die SPD-Reichstagsfraktion die SPD-Minister 1928 dazu zwang, gegen ihre eigene Regierungsvorlage zu stimmen.[33] Auch die DDP war wehrpolitisch nicht sehr aktiv und zudem zerstritten, so daß sie nicht zu einer konsequenten Wehrpolitik fand. In ihr standen sich ebenfalls zwei Lager gegenüber, wobei Anton Erkelenz oder Willy Hellpach für die sehr militärkritische Fraktion standen, während Otto Geßler oder Wilhelm Külz auf der anderen Seite standen. Nicht immer glücklich lavierte der Parteivorsitzende Erich Koch-Weser zwischen diesen beiden Fronten.[34] Auch die katholische Zentrumspartei schließlich verzichtete darauf, eine effektive parlamentarisch-demokratische Kontrolle der Reichswehr einzufordern und enthielt sich aller grundsätzlichen Kritik an der Reichswehr. Entsprechend dem allgemeinen Trend der Zentrumspartei nach rechts näherte sie sich in den späten 1920er Jahren den Forderungen der Reichswehr nach Aufrüstung sogar immer weiter an.[35]
 
 
5. Reichswehr, Aufrüstung und Wehrstaat
 
Das grundsätzliche Ziel der Reichswehrführung, wenn auch in verschiedenen Varianten, war die Aufrüstung, in der Sprache der Zeit auch oft als „Wiederwehrhaftmachung des deutschen Volkes“ bezeichnet. Langfristiges Ziel war die Revision des Versailler Vertrages. Seit 1920 hatte es zu diesem Zweck erste zaghafte Verbindungen zwischen der Reichswehr und der Sowjetunion gegeben, die sich als Folge des Vertrages von Rapallo stark intensivierten. Dabei blieb der Reichspräsident, formal immerhin Oberbefehlshaber der Reichswehr, zunächst uninformiert, ein Vorgehen, das der Reichskanzler Josef Wirth deckte. Als der zukünftige deutsche Botschafter in der Sowjetunion, Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau, in einem Memorandum an Wirth seine Ablehnung der geplanten der Militärkooperation formulierte, verbat sich Seeckt im September 1922 gegenüber Wirth jegliche Einmischung der Politiker in dieser Frage: „Bei allen diesen […] Maßnahmen bleibt die Teilnahme und sogar die offizielle Kenntnis der deutschen Regierung ganz ausgeschaltet. Die Einzelheiten der Verhandlungen sind nur durch militärische Stellen geleitet möglich.“[36]militärische Kooperation mit der Sowjetunion hatte weitreichende Auswirkungen auf die deutsche Außenpolitik, weil sie das Verhältnis zu den Westmächten belastete. Zwar mißlang der Versuch Seeckts, die Entsendung Brockdorff-Rantzaus als Botschafter nach Moskau zu hintertreiben, aber die geheime Militärkooperation konnte weitergehen. Diese war freilich im Alleingang der militärischen Führung nicht möglich. Stets erhielt die Reichswehr die notwendige Rückendeckung durch die Politik, so beispielsweise, als im Spätsommer 1930 Presseberichte über diese geheime Zusammenarbeit kursierten. Die von der Reichswehr forcierte und der Politik gedeckte
Neben die mehr oder weniger geheime Aufrüstung im materiellen Sinn trat auch die Aufrüstung im ideellen Sinn. In den späten 1920er Jahren trat die „soziale Militarisierung“ immer stärker in den Vordergrund.[37] Sie war unter anderem gekennzeichnet von dem Aufschwung paramilitärischer Verbände, die das Erbe der Freikorps aus den Anfangsjahren der Republik antraten. Das galt in besonderer Weise für die Parteiarmee der NSDAP, die SA. Davon wird gleich noch die Rede sein. Hans Mommsen kommt zu dem überzeugenden Schluß, „daß die zivile Militarisierung der deutschen Gesellschaft, der Kult der Gewalt und die Ästhetisierung des Krieges der faschistischen Mentalität den Boden bereiteten“[38].
 
 
6. Der Abschied von der Passivität
 
Die Militarisierung der Politik gewann in den späten 1920er Jahren weiter an Fahrt. Das lag paradoxerweise nicht zuletzt daran, daß die bis 1925 unbestritten dominierende Figur der Reichswehr, Seeckt, dramatisch an Bedeutung verlor. Als Ende April 1925 Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt wurde, richtete sich die Loyalität der Reichswehr fast zwangsläufig auf ihn aus, da er seinen Nimbus als Deutschlands größter Feldherr des Ersten Weltkrieges geschickt zu vermarkten verstand.[39] In seiner Person war die Verschmelzung von oberster politischer und oberster militärischer Autorität vollzogen.
Hinzu kam, daß die Strategie Seeckts, die Reichswehr jenseits von Politik und Gesellschaft in ein selbstgewähltes Ghetto zu führen, an ihr Ende gelangt war. Stand das Duo Geßler/Seeckt für traditionell-konservative Vorstellungen von Krieg, Armee und Gesellschaft, so repräsentierten die neuen „starken Männer“ Groener und Schleicher ein neues Konzept, das den Bedingungen der Militärpolitik im Zeitalter der industriellen Massengesellschaft Rechnung trug.[40] Sie plädierten dafür, die bisherige kühle Distanz zur Republik aufzugeben. Das bedeutete freilich nicht, daß man bereit war, sich in die gegeben Ordnung einzufügen, diese sollte stattdessen durch beharrliche Mitarbeit stillschweigend entsprechend den eigenen Vorstellungen verändert werden. In diesem Sinn etwa schrieb Groener bereits Anfang November 1923, daß es darauf ankomme, „das deutsche Volk mit der Weimarer Verfassung unbeschadet ihrer Verbesserungsbedürftigkeit auf manchen Gebieten auszusöhnen. Verfassungen sind nicht für die Ewigkeit gemacht, sie sind entwicklungsfähig, auch ohne daß es eines revolutionären Umsturzes hierzu bedarf.“[41] Oberst Schleicher, zu dieser Zeit noch ein enger Vertrauter Groeners wurde in einer Denkschrift als Chef der neuen Wehrmachtsabteilung im Reichswehrministerium 1926 noch deutlicher. Die alte Frage, ob die Monarchie oder die Republik die bessere Staatsform sei, hielt er für zweitrangig: „Nicht Republik oder Monarchie ist jetzt die Frage, sondern, wie soll diese Republik aussehen? Und da liegt es doch wirklich auf der Hand, daß sie nach unseren Wünschen ausgebaut werden kann, wenn wir freudig und unermüdlich an diesem Bau mitarbeiten.“[42]
 
Die Zeit zur Umsetzung dieser Vorstellungen kam, als Groener Reichswehrminister in den Jahren 1928-1932 in der Großen Koalition unter Hermann Müller (SPD) bzw. im Präsidialkabinett von Heinrich Brüning (Zentrumspartei) wurde. Die Reichswehr wurde in dieser Zeit jedoch nicht so sehr durch ihn als durch Kurt von Schleicher verkörpert. Dieser war Groener seit langer Zeit beruflich eng verbunden und hatte ihm auch seinen Aufstieg zu verdanken. Als „Chef des Ministeramts“ war Schleicher de facto Staatssekretär des Reichswehrministeriums und damit der Stellvertreter Groeners, bevor er ab Juni 1932 selbst Reichswehrminister und, vom 2. Dezember 1932 bis 28. Januar 1933, schließlich der letzte Reichskanzler der Weimarer Republik wurde. Schleicher war seit 1926, verstärkt dann seit Ende 1929 die treibende Kraft bei der Zerstörung der parlamentarisch-demokratischen Substanz der Weimarer Republik, weil sein Hauptziel die Wiedergewinnung militärischer Stärke für Deutschland war. Das Mißtrauen der Reichswehrführung gegenüber der SPD wurde dadurch gefördert, daß das Preußische Innenministerium unter Carl Severing die geheimen Mobilmachungsplanungen und Grenzschutzaktivitäten der Reichswehr an der deutschen Ostgrenze kritisch beäugte. Im Februar 1923 hatte Severing von Seeckt die Zusage erzwungen, daß die Reichswehr ihre Zusammenarbeit mit den national-konservativen Wehrverbänden beenden würde, was sie freilich nicht tat. Diese Hemmnisse der Wiederaufrüstung bestärkten den Willen der Reichswehrführung und insbesondere Schleichers, das parlamentarisch-demokratische Regierungssystem zu Gunsten autoritärer Präsidialkabinette zurückzudrängen.[43]
 
Für Militärs wie Groener und Schleicher ging es – als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg – darum, die Trennung zwischen Armee und Gesellschaft einzuebnen.[44] Um in einem künftigen „totalen Krieg“ bestehen zu können, so ihre Überzeugung, müsse ein alle Gesellschaftsbereiche durchdringender „Wehrstaat“ geschaffen werden, der es ermöglichen sollte, die gesamten Ressourcen einer Nation in den Dienst der Kriegführung zu stellen. Für ihr Ziel einer raschen Wiederaufrüstung Deutschlands versuchte die Reichswehrführung, die paramilitärischen Wehrverbände – hier vor allem den national-konservativen „Stahlhelm–Bund der Frontsoldaten“ sowie zunehmend auch die SA – für diesen Zweck nutzbar zu machen. Daraus ergab sich die vermeintliche Notwendigkeit, die parlamentarische Demokratie in einen autoritären Ständestaat umzubauen, der sich hauptsächlich darauf ausrichtete, die gesamte Gesellschaft auf den nächsten Krieg vorzubereiten. Wenn in den letzten Jahren der Republik die Reichswehrführung jegliche Hemmungen ablegte und sich in die Tagespolitik begab, dann war das kein Anzeichen dafür, daß sie endlich die neue Ordnung akzeptiert hatte. Vielmehr ging es um eine ganzheitlich verstandene, alle Lebensbereiche umfassende Ausrichtung der Gesellschaft auf den Krieg.
Das Werben um die NSDAP, die in dieses Konzept eingebunden werden sollte, ohne freilich den unbedingten Machtanspruch Hitlers zu erfüllen, war nicht zuletzt darin begründet, daß man glaubte, auf diese Partei und die in ihr organisierten Menschen nicht verzichten zu können. Seit den späten 1920er Jahren hatte die Reichswehrführung auch die Bemühungen um eine Zusammenfassung der verschiedenen paramilitärischen Verbände verstärkte. Diese sollten aus ihrer parteipolitischen Bindung herausgelöst und zu einer von der Reichswehr kontrollierten staatlichen Jugendorganisation umgeformt werden. Diesem Ziel diente auch das im September 1932 gegründete „Reichskuratorium für Jugendertüchtigung“. Nicht nur die Wehrverbände der politischen Rechten, vor allem der „Stahlhelm“, sondern auch das maßgeblich von der SPD geführte „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ näherten sich Ende 1932 den diesbezüglichen Vorstellungen der Reichswehrführung an.[45] Als Groener, der seit Oktober 1931 auch Reichsinnenminister war, im Frühjahr 1932 schließlich ein Verbot der SA verhängte, wurde er zum Rücktritt gezwungen, weil Schleicher immer noch hoffte, die NSDAP für seine Zwecke benutzen zu können.[46]
Doch statt die NSDAP zu „zähmen“, führte die von Schleicher beschleunigte Verschärfung der innenpolitischen Krise durch das Präsidialkabinett unter Franz von Papen nur dazu, daß nach der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 die NSDAP zur stärksten Partei wurde und, zusammen mit der KPD, eine negative Mehrheit im Reichstag besaß; Deutschland war unregierbar geworden. Als Schleicher schließlich versuchte, durch eine nur notdürftig verschleierte Militärdiktatur die Machtübernahme durch Hitler in letzter Minute zu verhindern, versagte ihm Reichspräsident von Hindenburg die dafür notwendigen Vollmachten. Die politische Sonderrolle der Reichswehr war Ende 1932 so überdehnt worden, daß es Hitler danach fast mühelos gelang, die Reichswehr politisch zu entmachten. Das fiel ihm um so leichter, als er der Reichswehr die sichere Aussicht auf einen baldigen neuen Krieg bieten konnte, der die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges revidieren sollte.
 
 
7. Fazit
 
Die Reichswehr hat über die ganze Dauer der Weimarer Republik eine sehr große Rolle gespielt, auch wenn sich die Bedingungen ihres Handelns beständig veränderten. Meistens bereits in der Intention, fast immer aber in der Wirkung war ihr politisches Handeln gegen die Demokratie gerichtet. Insofern war die Reichswehr zwar einerseits Geburtshelferin der Weimarer Republik, andererseits aber auch ihre Totengräberin. Konstant war die Tendenz, Gesellschaft und Politik vom Krieg, das heißt vom Ausnahmezustand her zu denken. Die Armee und der Krieg (bzw. die Vorbereitung auf ihn) wurden als das Zentrum von Nation und Gesellschaft begriffen, die daher zu einer „Kriegsgemeinschaft“ umgeformt werden sollte. Pluralismus und Demokratie hatten in dieser Vorstellungswelt keinen Platz, Politik und Krieg erschienen letztlich als identisch.
 
Dieses Problem stellte sich allerdings nicht nur in Deutschland. Betrachtet man vergleichend das Verhalten des Offizierskorps und die politische Rolle der Armee in Deutschland nach 1918 und Frankreich 1940, so fallen trotz der zahlreichen Unterschiede der historischen Situation, der Traditionen und sozialen Zusammensetzung beider Armeen viele Gemeinsamkeiten auf. Beide negierten die Verantwortung für die Kriegsniederlage; beide erklärten sich für verantwortlich für politische Zukunft des Landes und intervenierten daher in die Politik; beide hielten sich für die wahren Interessenvertreter einer zersplitterten Nation; beide vertraten vorindustrielle Werte und Normen, bereiteten aber dennoch moderne, industrielle Kriege vor. Viel spricht daher für Ernst W. Hansens These, daß die Gründe für das starke Eingreifen der Armeen in die Politik nur begrenzt in der jeweiligen nationalen Geschichte liegen, sondern in der Entstehungszeit der modernen Armeen im 17. und 18. Jahrhundert wurzeln.[47]
Auch andere Charaktersitika der Weimarer Republik erweisen sich bei vergleichender Betrachtung als Phänomene, die – bei allen Unterschieden hinsichtlich Form und Intensität – grundsätzlich gesamteuropäisch waren. Das gilt beispielsweise für den Formenwandel in der Politik in der Zwischenkriegszeit, der sich nicht nur für Deutschland feststellen läßt, sondern für viele Länder Ost- und Mitteleuropas, aber auch des demokratischen Westeuropas.[48] Insofern stellen sich die Fragen zum Verhältnis von Militär und Politik in Deutschland nach 1918 besonders heftig, aber nicht grundsätzlich anders als in vielen anderen Ländern. So lange militärische Gewaltanwendung oder zumindest die Drohung damit ein Mittel staatlicher Politik ist, bleiben die hier am Beispiel der Weimarer Republik erörterten Probleme aktuell.
 
 


[1] Gordon A. Craig, Die preußisch-deutsche Armee 1640-1945. Staat im Staate, Düsseldorf 1960, S. 17 (Originaltitel: The Politics of the German Army 1640-1945, Oxford 1955).
[2] John W. Wheeler-Bennett, Die Nemesis der Macht. Die deutsche Armee in der Politik 1918-1945, Düsseldorf 1954, S. 29 (Originaltitel: The Nemesis of Power. The German Army in Politics, 1918-1945, London 1954).
[3] Vgl. exemplarisch Andreas Hillgruber, Die Reichswehr und das Scheitern der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Erdmann / Hagen Schulze, Weimar. Selbstpreisgabe einer Demokratie. Eine Bilanz bis heute, Düsseldorf 1981, S. 177-192.
[4] Darauf verweist beispielsweise Michael Geyer, Die Wehrmacht der deutschen Republik ist die Reichswehr. Bemerkungen zur neueren Literatur, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 14, 1973, S. 152-199, hier S. 153.
[5] Vgl. Heinrich August Winkler, Grande Storia della Germania. Un lungo cammino verso Occidente, 2 vol. Roma 2004.
[6] Vgl. Gerhard Ritter, Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des „Militarismus“ in Deutschland, 4 Bde., München 1954-1968.
[7] Vgl. Michael Geyer, Aufrüstung oder Sicherheit. Die Reichswehr in der Krise der Machtpolitik 1924-1936, Wiesbaden 1980, S. 228-236.
[8] Vgl. Holger Afflerbach, (Bearb.), Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr im Ersten Weltkrieg. Quellen aus der militärischen Umgebung des Kaisers 1914-1918, München 2005. Afflerbach hält es allerdings für übertrieben, Wilhelm II. als reinen „Schattenkaiser“ zu charakterisieren.
[9] Vgl. Martin Kitchen, The Silent Dictatorship. The Politics of the German High Command under Hindenburg and Ludendorff 1916-1918, Berlin 1966.
[10] Albrecht von Thaer, Generalstabsdienst an der Front und in der O.H.L. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1915-1919, hg. v. Siegfried A. Kaehler u. Helmuth K. G. Rönnefarth, Göttingen 1958; Tagebucheintrag 1.10.1918, S. 235.
[11] Vgl. Gerhard W. Rakenius, Wilhelm Groener als Erster Generalquartiermeister. Die Politik der Obersten Heeresleitung 1918/19, Boppard 1977.
[12] Vgl. William Mulligan, The Creation of the Modern German Army. General Walther Reinhardt and the Weimar Republic, 1914-1930, New York / Oxford 2005.
[13] Vgl. dazu Heinrich August Winkler, Eduard Bernstein und die Weimarer Republik, in: Eduard Bernstein, Die deutsche Revolution von 1918/19. Geschichte der Entstehung und ersten Arbeitsperiode der deutschen Republik, hg. u. eingel. von Heinrich August Winkler und annotiert von Teresa Löwe, Bonn 1998, S. 7-24, hier S. 13-14.
[14] Vgl. Ekkehart P. Guth, Der Loyalitätskonflikt des deutschen Offizierkorps in der Revolution 1918-20, Frankfurt a. M. 1983.
[15] So Rudolf Hilferdings eindrückliche Formel, zitiert nach; Heinrich August Winkler, La Repubblica di Weimar, Roma 1998, S. 690.
[16] Zu Noske vgl. Wolfram Wette, Gustav Noske, Eine politische Biographie, Düsseldorf 1987.
[17] Das „Vorläufige Reichswehrgesetz“ vom 6.3.1919 ist abgedruckt in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, hg. v. Ernst-Rudolf Huber, Bd. 4, Dokumente zur Novemberrevolution und der Weimarer Republik, 3., neu bearb. Aufl. Stuttgart 1991, Dokument 83, S. 85; die Reichsverfassung vom 11.8.1919: Dokument 157, S. 151-179; das Reichswehrgesetz vom 23.3.1921: Dokument 174, S. 202-206.
[18] Einen guten schematischen Überblick über das komplizierte verfassungsrechtliche Struktur, in die die Reichswehr eingebunden war, findet sich bei: Hans-Adolf Jacobsen, Militär, Staat und Gesellschaft in der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Bracher / Manfred Funke / Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Düsseldorf 1987, hier S. 348. Ausführlich zur verfassungsrechtlichen Situation der Reichswehr: Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die Weimarer Verfassung, Stuttgart 1981, S. 578-636.
[19] Zu Seeckt vgl. Hans Meier-Welcker, Seeckt, Frankfurt a. M. 1967.
[20] Vgl. William Mulligan, Civil-Military Relations in the Early WeimarRepublic, in: Historical Journal 45, 2002, S. 819-841.
[21] Vgl. speziell: Claus Guske, Das politische Denken des Generals von Seeckt. Ein Beitrag zur Diskussion des Verhältnisses Seeckt – Reichswehr – Republik, Lübeck/Hamburg 1971.
[22] Zitiert nach Reimer Hansen, Militär und Demokratie in der deutschen Geschichte, Kiel 1970, S. 17.
[23] Aufzeichnung Seeckts vom 14.10.1926, zitiert bei Friedrich von Rabenau, Seeckt. Aus seinem Leben 1918-1936 [Teil 2], Leipzig 1940, S. 558.
[24] Vgl. Hans-Adolf Jacobsen, Militär, Staat und Gesellschaft in der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Bracher / Manfred Funke / Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Düsseldorf 1987, S. 343-368, hier S. 355-358.
[25] Vgl. Gotthard Breit, Das Staats- und Gesellschaftsbild deutscher Generale beider Weltkriege im Spiegel ihrer Memoiren, Boppard 1973, S. 141-158.
[26] Zitiert nach Horst Mühleisen, Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, in: Gerd Ueberschär (Hg.), Hitlers militärische Elite, Bd. 1: Von den Anfängen des Regimes bis Kriegsbeginn, Darmstadt 1998, S. 61-70, hier S. 62.
[27] Vgl. Peter Bucher, Der Reichswehrprozeß. Der Hochverrat der Ulmer Reichswehroffiziere 1929/30, Boppard 1968.
[28] Vgl. Kirstin A. Schäfer, Werner von Blomberg. Hitlers erster Feldmarschall. Eine Biographie, Paderborn 2007.
[29] Vgl. dazu Wolfram Wette (Hg.), Pazifistische Offiziere in Deutschland 1871 bis 1933, Bremen 1999.
[30] Zitiert nach Heiner Möllers, Reichswehrminister Otto Geßler. Eine Studie zu unpolitischer Militärpolitik in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1998, S. 57.
[31] Vgl. Jürgen Schmädeke, Militärische Kommandogewalt und parlamentarische Demokratie. Zum Problem der Verantwortlichkeit des Reichswehrministers in den Weimarer Republik, Lübeck 1966, S. 184.
[32] Hartmut Schustereit, Unpolitisch – Überparteilich – Staatstreue. Wehrfragen aus der Sicht der Deutschen Demokratischen Partei 1919-1930, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 16, 1974, S. 131-172, hier S. 136.
[33] Vgl. Olaf Janke, Die Reichswehrpolitik der SPD in den Jahren 1918-1930. Ursachen und Hintergründe des Scheiterns der sozialdemokratischen Reichswehrpolitik in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1999.
[34] Vgl. Hartmut Schustereit, Unpolitisch – Überparteilich – Staatstreue. Wehrfragen aus der Sicht der Deutschen Demokratischen Partei 1919-1930, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 16, 1974, S. 131-172.
[35] Zimmermann, Wilhelm, Die Wehrpolitik der Zentrumspartei in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1994.
[36] Zitiert nach Manfred Zeidler, Reichswehr und Rote Armee 1920-1933. Wege und Stationen einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit, München 1993, S. 63.
[37] Vgl. Richard Bessel, Militarismus im innenpolitischen Leben der Weimarer Republik: Von den Freikorps zur SA, in: Klaus-Jürgen Müller / Eckardt Opitz (Hg.), Militär und Militarismus in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1978, S. 193-222.
[38] Hans Mommsen, Militär und zivile Militarisierung in Deutschland 1914 bis 1938, in: Ute Frevert (Hg.), Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1997, S. 265-276, hier S. 274.
[39] Zu Hindenburg vgl. Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007.
[40] Zu Schleicher vgl. zuletzt Irene Strenge, Kurt von Schleicher. Politik im Reichswehrministerium am Ende der Weimarer Republik, Berlin 2006, die allerdings die Bedeutung der Aufrüstungsplanungen für Schleichers innenpolitisches Handeln unterschätzt.
[41] Zitiert nach Carsten, Francis L., Reichswehr und Politik 1918-1933, Köln/Berlin 1964, S. 321.
[42] Zitiert nach Carsten, Francis L., Reichswehr und Politik 1918-1933, Köln/Berlin 1964, S. 282.
[43] Vgl. Thilo Vogelsang, Reichswehr, Staat und NSDAP. Beiträge zur deutschen Geschichte 1930-1932, Stuttgart 1962, S. 13-63; Edward W. Bennett, German Rearmament and the West, 1932-1933, Princeton 1979, S. 11-77.
[44] Zu Schleichers innenpolitischen Vorstellungen vgl. Wolfram Pyta, Konstitutionelle Demokratie statt monarchischer Restauration. Die verfassungspolitische Konzeption Schleichers in der Weimarer Staatskrise, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47, 1999, S. 417-441.
[45] Andreas Hillgruber, Militarismus am Ende der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, in: ders., Deutsche Großmacht- und Weltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1977, S. 134-148.
[46] Vgl. Johannes Hürter, „Vor lauter Taktik schlapp?“ Die Personalunion von Wehr- und Innenministerium im Zweiten Kabinett Brüning, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 57, 1998, S. 465-481.
[47] Vgl. Ernst W. Hansen, The Military and the Military-Political Breakdown in Germany 1918 and France 1940, in: Müller, Klaus-Jürgen / Eckardt Opitz (Hg.), The Military in Politics and Society in France and Germany in the Twentieth Century, Oxford 1995, S. 89-109, hier S. 106.
[48] Vgl. die Beiträge in: Hans Mommsen (Hg.), Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsordnung. Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik, Köln 2000.
Die Reichswehr als politischer Akteur in der Weimarer Republik
 
 
„Wir erwarten ganz vergebens, daß der Gemeingeist der Engländer, Franzosen und anderer bei uns erwachen werde, wenn wir nicht dem Militär die Schranken anweisen, welche es in allen Ländern, wo Gemeingeist herrscht, nicht überschreiten darf.“ Dieses Zitat des preußischen Staatsmanns Freiherr vom Stein aus der Zeit der Preußischen Reformen stellte der amerikanische Historiker Gordon A. Craig seiner Studie „Die preußisch-deutsche Armee 1640-1945“ voran. Die Armee habe, so Craig, lange Zeit „ihre autonome Stellung im Staate verteidigt, alle Versuche, ihr verfassungsmäßige Schranken aufzuerlegen, abgewehrt und gerade damit Deutschlands Entwicklung zur Demokratie vereitelt“[1], sich dann jedoch Hitler vollständig unterworfen.
Fast gleichzeitig hatte Craigs britischer Historikerkollege John Wheeler-Bennett dasselbe Zitat des Freiherrn vom Stein zum Anlaß genommen, um über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges nachzudenken. „Kein prophetischeres Wort“, so Wheeler-Bennett, „hätte über die Zukunft Deutschlands gesprochen werden können, und es ist eine tragische Ironie der Geschichte, daß der Mann, dem es gelang, die deutschen militärischen Führer in Grenzen und Schranken zu halten – aber zu ganz anderen Zwecken als denen, die Stein vorgeschwebt hatten –, Adolf Hitler war.“[2]
Wer sich, wie Craig oder Wheeler-Bennett, nach 1945 mit der politischen Geschichte der Weimarer Republik befaßt, tat und tut das vor allem, um Antworten auf die Frage zu finden: warum scheiterte diese erste deutsche Demokratie und wurde vom Nationalsozialistischen Regime abgelöst?[3] Als eine der Ursachen des Scheiterns der Weimarer Republik gilt die Tatsache, daß es weder gelang, die alten Eliten des Kaiserreichs zu entmachten, noch, sie dauerhaft mit der neuen demokratischen Gesellschaftsordnung auszusöhnen. Das trifft nicht zuletzt für die Armee als Institution und für große Teile des Offizierskorps zu, die einen überproportionalen Einfluß auf das Schicksal Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten, weil es nicht gelang, die Armee wirksam und dauerhaft unter politische Kontrolle zu bringen. Der Rückblick auf die Zeit vor 1933 hatte aber auch einen ganz aktuellen Bezug. Denn Mitte der Neunzehnhundertfünfziger Jahre stand die Frage zur Debatte, ob die Bundesrepublik Deutschland wiederbewaffnet und Mitglied der NATO werden sollte. Daher war es nicht nur für die westdeutschen Politiker, sondern auch für die Westalliierten von zentraler Bedeutung, wie die politische Kontrolle der zukünftigen Bundeswehr und ihre Einbindung in ein supranationales Verteidigungsbündnis sichergestellt werden kann.[4]
Aufgrund dieser doppelten Bedeutung ist die politische Rolle der Reichswehr in der Weimarer Republik sehr gut erforscht, vor allem die Frage, welchen Anteil sie an ihrer Zerstörung hatte. Diese Zuspitzung ist ebenso verständlich wie notwendig gewesen, birgt jedoch auch die Gefahr in sich, die Komplexität der Interaktion und gegenseitigen Interdependenz staatlich-politischer, militärischer und gesellschaftlicher Akteure zu reduzieren. Unter Ausblendung der vergleichenden europäischen Perspektive erscheint die Situation der Jahre 1918 bis 1933 in Deutschland auch schnell als ein dramatischer historischer Sonderfall, als Teil eines fatalen, antiwestlichen deutschen „Sonderweges“.[5]
Eine weitere Problematik vieler Darstellungen zum Thema „Reichswehr und Republik“ besteht in einer starken Fixierung auf wenige handelnde Personen. Es reicht jedoch nicht aus, nur jeweils zu fragen, was die kurzfristigen und langfristigen Absichten dieser Personen waren, sondern vor allem, in welchem gesellschaftspolitischen Rahmen sie sich bewegten.
Schließlich sollte bedacht werden, daß es nicht unproblematisch ist, die Kategorien „Militär“ und „Politik“ einander so gegenüberzustellen, als wäre es von vorneherein klar, was damit gemeint ist. Die von Gerhard Ritter vorgenommene klassische Trennung von „Staatskunst und Kriegshandwerk“[6] ist insofern irreführend, als sie den Bedingungen der Militärpolitik im Zeichen des „totalen Krieges“ nicht gerecht wird. Das Verhältnis von Politisierung des Militärs und Militarisierung der Politik war ein von zahlreichen außen- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und Verflechtungen abhängiges Wechselspiel, in dem eine autonome Politik der Reichswehr grundsätzlich nicht möglich war.[7] 
Um diese Probleme zu vermeiden, soll im folgenden untersucht werden, wie die historischen Bedingungen und Strukturen aussahen, in denen die Reichswehr als politischer Akteur in der Weimarer hervortrat, welches ihre politischen Ziele waren und wie sie versuchte, diese zu erreichen. Wichtig ist es dabei, die Reichswehr im Gefüge mit den anderen politischen und gesellschaftlichen Akteuren zu analysieren. Diese Konstellation veränderte sich im Lauf der kurzlebigen Weimarer Republik mehrfach. Sie bestimmten auch die Handlungsmöglichkeiten derjenigen Personen, die an den zentralen Stellen in der Reichswehrführung tätig waren.
 
 
1. Die Weimarer Republik und ihre Phasen
 
Zunächst ist es wichtig, sich die grundsätzliche Konstellation des Verhältnisses der Reichswehr zur Politik und zum politischen System der Weimarer Republik in Erinnerung zu rufen. Die Geschichte der Weimarer Republik wird gewöhnlich in drei Phasen eingeteilt. Die erste Phase war von der revolutionären Umwälzung im November 1918 und von zahlreichen, darauf folgenden politischen Unruhen und ökonomischen Turbulenzen gekennzeichnet. Sie fand ihren Abschluß im „Krisenjahr“ 1923 mit der Niederschlagung Kommunistischer Aufstandsversuche in Mitteldeutschland einerseits und des von Adolf Hitler inszenierten „Bierhallenputsches“ in München andererseits. Die darauf folgende zweite Phase reichte bis 1929/30. Sie war zwar von einer relativen politischen und ökonomischen Stabilisierung geprägt, die aber nicht zu einer dauerhaften Annäherung der verfeindeten politischen Lager führte. Letztlich war die Stabilität der mittleren Phase nur eine Pattsituation, in der keine Seite die andere überwältigen konnte. Wie fragil die innenpolitische Situation in Deutschland war, zeigte sich in der dritten Phase. Diese war wiederum von ökonomischen Turbulenzen (Weltwirtschaftskrise) und politischer Radikalisierung (NSDAP und KPD) gekennzeichnet, die zeitweise bürgerkriegsähnliche Formen annahm. Zugleich entwickelte sich das politischen Systems rasant hin zu einem autoritären Staat, der ab dem 30. Januar 1933 schließlich in die nationalsozialistische Diktatur mündete.
 
Für die Geschichte der Reichswehr waren diese Rahmenbedingungen natürlich von großer Bedeutung, denn in Zeiten politischer Instabilität und des latenten Bürgerkrieges ist das Verhalten der Armee naturgemäß besonders wichtig. Doch neben den allgemeinen politischen Zäsuren kannte die Geschichte der Reichswehr auch ihre eigenen Phasen, die nicht zuletzt von sehr unterschiedlichen Konzeptionen über die Funktion und den Aufbau der Armee sowie ihre Rolle in der Politik geprägt war. Um zu verstehen, was ab Ende 1918 geschah, ist es zunächst notwendig, kurz die Stellung der Armee im Deutschen Kaiserreich und im Ersten Weltkrieg zu beleuchten.
 
 
2. Das Erbe des Kaiserreichs
 
Die Armee hatte im Kaiserreich nicht nur hohes Ansehen genossen, sondern auch eine politische Stellung, die vor allem dadurch gekennzeichnet war, daß zentrale Bereiche politischer Kontrolle durch den Deutschen Reichstag entzogen waren. Die im preußischen Verfassungskonflikt 1862-1866 von Otto von Bismarck durchgesetzte Abwehr parlamentarischer Kontrolle der Armee hatte sich nach 1871 im Kaiserreich fortgesetzt. Es gab auf Reichsebene keinen Kriegsminister. Stattdessen übte der preußische Kriegsminister de facto diese Funktion aus. Daneben gab es auch Kriegsministerien in den drei anderen Königreichen: Bayern, Sachsen und Württemberg. Doch selbst diese Kriegsministerien übten die politische Leitungsfunktion nur begrenzt aus. Sie hatten stattdessen eher den Rang von Verwaltungsbehörden.
 
Die eigentliche Kommandogewalt übte allein der Kaiser aus, ohne die offizielle Möglichkeit irgendeiner Einfluß- und Kontrollmöglichkeit durch irgendeine andere Instanz. Daher waren der Kaiser mit seinem „Militärkabinett“ bzw. „Marinekabinett“, die für die Personalpolitik zuständig waren, und der Große Generalstab, der die militärische Planung koordinierte, die eigentlichen Machtzentren, die die Verbindung von Militär und Politik herstellten. Im Ersten Weltkrieg verlor Wilhelm II. rasant an Bedeutung.[8] Die wichtigsten operativen und strategischen Entscheidungen wurden vom Chef des Generalstabs des Feldheeres getroffen. Seit Paul von Hindenburg dieses Amt im August 1916 von Erich von Falkenhayn übernommen hatte, bildete sich so etwas wie eine „stille Militärdiktatur“[9] heraus, deren führender Kopf Erich Ludendorff als „Erster Generalquartiermeister“ war. Diese Oberste Heeresleitung (die „3. OHL“) sorgte unter anderem dafür, daß zum 1. Februar 1917 der unbeschränkte U-Bootkrieg eröffnet wurde, was die Kriegserklärung der USA gegen Deutschland zur Folge hatte. Damit nicht genug, die OHL war auch die treibende Kraft dafür, daß im Juli 1917 der Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg entlassen wurde, weil er als zu kompromißbereit nach innen und außen erschien.
 
Über den Kriegsverlauf wurden die politische Führung und der Reichstag dagegen im Unklaren gelassen. Daher war es für die politische Führung, aber auch die deutsche Öffentlichkeit ein großer Schock, als Ludendorff am 29. September 1918 bekanntgab, daß der Krieg verloren sei und von den Politikern forderte, ihn sofort zu beenden. In den folgenden Wochen überschlugen sich die Ereignisse, wobei die Armeeführung weiterhin viele Fäden in der Hand behielt. So drängte die Armeeführung darauf, daß das politische System im Oktober 1918 in Richtung auf eine parlamentarische Monarchie hin reformiert wurde. Das geschah aus zwei Gründen. Zum einen hoffte man, dadurch einige Forderungen von Wilsons „14-Punkte-Programm“ zu erfüllen und mildere Friedensbedingungen zu erreichen; zum anderen sollte die Verantwortung für die Kriegsniederlage auf die zivile politische Führung abgeschoben werden. Die Absicht, die Politiker – und hier vor allem diejenigen der SPD, aber auch der Liberalen Parteien und des katholischen Zentrums – zu Sündenböcken der Niederlage zu machen, sprach Ludendorff am 1. Oktober 1918 vor seinen Offizieren klar aus: „Die sollen nun den Frieden schließen, der jetzt geschlossen werden muß. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben.“[10]
 
 
3. Armee und Revolution
 
Als am 29. Oktober 1918 Ludendorff durch Wilhelm Groener abgelöst wurde, begann für die Armee im gewissen Sinn die nach-monarchische Zeit, auch wenn das an diesem Tag noch nicht absehbar war. Denn am Tag zuvor waren die sogenannten „Oktoberreformen“ in Kraft getreten, durch die das Deutsche Reich zu einer parlamentarischen Monarchie wurde, in der in Zukunft der Reichstag wesentlich mehr Rechte haben würde als bisher. Doch am 29. Oktober begann auch die Meuterei der Matrosen der deutschen Hochseeflotte, die sich weigerten, für eine militärisch sinnlose letzte Schlacht gegen die Britische Flotte auszulaufen. In kürzester Zeit breitete sich die Meuterei in der ganzen Marine und schließlich auch im Heimatheer aus, so daß aus der verspäteten Reform der Monarchie eine Revolution wurde.
 
Daß die Armee, ob sie wollte oder nicht, ein zentraler politischer Akteur sein mußte, ergab sich also schon aus der Entstehungssituation der Weimarer Republik, die unmittelbar aus der Kriegsniederlage des Kaiserreiches und dem Sturz der Monarchie hervorging. Im November und Dezember 1918 war es zunächst Groener, der an entscheidender Stelle den unblutigen und weitgehend geordneten Übergang vom Kaiserreich zur Republik mit ermöglichte.[11] Einerseits übernahm Groener die undankbare Aufgabe, den Kaiser zur Abdankung und Flucht ins Exil zu drängen, was ihm später von monarchistischen Offizieren immer wieder zum Vorwurf gemacht wurde. Andererseits stellte Groener sich und die Armee der neuen provisorischen Regierung in Berlin zur Verfügung. Eine weitere, in ihrer Bedeutung häufig unterschätzte Figur, war Oberst Walther Reinhardt, der seit dem 29. Dezember 1918 als letzter Preußischer Kriegsminister amtierte.[12] Auch Reinhardt war bereit, mit der neuen provisorischen Regierung (dem „Rat der Volksbeauftragten“), zusammenzuarbeiten, war aber auch der Anlaß für deren Auseinanderbrechen. Als die linkssozialistische Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) am 3. Januar 1919 aus der provisorischen preußischen Regierung austrat, war die Ernennung Reinhardts zum Preußischen Kriegsminister eine der Ursachen dafür.
 
So wichtig die Handlungen der führenden Persönlichkeiten in diesen Tagen auch gewesen sind, letztlich hatten sie nur begrenzte Handlungsspielräume, die sich hauptsächlich aus den Bedingungen einer hochentwickelten Industriegesellschaft ergaben, in der tiefgreifende Umwälzungen nur um den Preis eines völligen Zusammenbruchs der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung erkauft werden konnten, wie das beispielsweise in Russland seit 1917 zu beobachten war. So prekär die Lage der Arbeiterschaft und anderer unterprivilegierter Schichten auch gewesen sein mag: sie hatten weitaus mehr zu verlieren als nur ihre Ketten, so daß die Aufrechterhaltung der Ordnung auch in ihrem Interesse war.
Der Gedankengang, daß eine Art „Anti-Chaos-Reflex“ die gemäßigt-sozialistische Sozialdemokratische Partei (MSPD) – und erst Recht natürlich die bürgerlichen Parteien – daran gehindert habe, die revolutionäre Situation des November 1918 entschiedener zur umfassenden demokratischen und sozialen Reformen zu nutzen, ist von dem SPD-Theoretiker Eduard Bernstein bereits 1921 formuliert und von Richard Löwenthal weiterentwickelt worden.[13] Sie läßt sich, mutatis mutandis, aber auch zur Erklärung des Verhaltens derjenigen Teile der konservativ-monarchischen Eliten heranziehen, die sich zur Kooperation mit der Republik bereitfanden. Für die Armeeführung hätte jede andere Politik als die der Kooperation eine unverantwortliche Katastrophenpolitik bedeutet, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine völlig unkontrollierbare Dynamik gewonnen hätte. Nicht nur die Arbeiterschaft und die SPD, sondern gerade auch die militärischen Eliten hatten zu viel zu verlieren, um das riskieren zu können.[14]
Angesichts dieser Umstände ist es wenig erstaunlich, daß Groener der relativ sanfte Übergang vom Kaiserreich zur Republik gelang. Ein wichtiger Faktor war, daß Reichskanzler Ebert von der MSPD um jeden Preis verhindern wollte, daß sich die Revolution radikalisierte, wobei die Ereignisse in Rußland seit 1917 als abschreckendes Beispiel dienten. Groener war in gewisser Weise ein idealer Partner für diese Politik, hatte er doch bereits im Weltkrieg als Leiter des „Kriegsamtes“ bewiesen, daß er in der Lage war, den Interessenausgleich zwischen der Armee und verschiedenen politischen Parteien herzustellen. Groener war es schon früh bewußt, daß er auf Dauer nur mit, nicht gegen die Politiker und Parteien – und zwar vor allem auch der SPD und der Arbeiterschaft – der Einfluß ausüben konnte. Wie genau das mythenumrankte Telephongespräch zwischen Ebert und Groener am Abend des 10. November 1918 verlief, ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Auf diese Weise profitierte auch die Armee davon, daß die MSPD weitgehend darauf verzichtete, die ihr durch die Revolution in die Hände gefallene Macht konsequent zur Entmachtung der alten, monarchischen Eliten in Staat, Verwaltung und Militär zu nutzen.
 
Es gab gute Gründe für diese Entscheidung, den Weg der weiterer Reformen statt den einer Anheizung der Revolution zu gehen, doch sie hatte auch einen hohen Preis: Es würde, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, so auch beim Militär keine grundlegende Umformung der Kaiserlichen Armee, keine Demokratisierung ihrer Struktur geben. Die alten Kommandostrukturen blieben intakt und auch die Wirkungsmöglichkeiten der in den letzten Kriegstagen überall entstandenen Soldatenräte blieben begrenzt.
Bei der Abwehr weiterer Reformversuche half Groener die Tatsache, daß die anfänglich so ruhig verlaufene Umsturz der Monarchie seit Ende Dezember 1918 in immer gewaltsamere Bahnen geriet. In Berlin kam es zu ersten blutigen Kämpfen, am 29. Dezember traten die Mitglieder der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) aus der provisorischen Reichsregierung aus, zwei Tage später wurde die Kommunistische Partei (KPD) gegründet und Deutschland trat in eine mehrmonatige Phase bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen ein. Ohne den Einsatz von Militär im inneren wäre es wahrscheinlich nie zur Gründung der Weimarer Republik als liberal-demokratischer, parlamentarischer Verfassungsstaat gekommen.
Das darf freilich nicht mißverstanden werden im Sinne der lange vertretenen These, es habe 1918/19 nur die Alternative zwischen einer blutigen Revolution nach Sowjetrussischem Vorbild einerseits oder einem Zusammengehen der Regierung mit den alten Eliten in Staat und Armee andererseits gegeben. Die intensive Erforschung der revolutionären Anfangszeit der Republik hat gezeigt, daß es tatsächlich Handlungsspielräume gegeben hätte, die zu einer tiefer greifenden Demokratisierung geführt hätten. Sie wurden in der Zeit, als die Politik noch „plastisch“[15] war, nicht genutzt und diese Versäumnisse konnten später nicht mehr ausgeglichen werden. Die MSPD hatte sich aus der Furcht vor der „Bolschewisierung“ Deutschlands stärker als nötig auf die alten Eliten gestützt. Sie schreckte vor vielen gesellschaftlichen Veränderungen zurück, die der Republik eine festere Basis gegeben hätten.
 
Die Sicherung von Ruhe und Ordnung ist eigentlich eine klassische Aufgabe der Polizei, nicht der Armee. Die Polizei unterstand in der Weimarer Republik jedoch den jeweiligen Bundesstaaten. Eine unmittelbare Verfügungsgewalt des Reiches über die Polizei gab es daher nicht und so stand der Reichsregierung allein die Reichswehr als Exekutivorgan zur Verfügung. Über deren Einsatz im Inneren bestimmte der am 29. Dezember 1918 zum „Volksbeauftragten für Heer und Marine“ und am 13. Februar 1919 zum Reichswehrminister ernannte MSPD-Politiker Gustav Noske.[16] Die Art und Weise, in der Noske das Militär zur Niederschlagung der inneren Unruhen einsetzte, muß in zweierlei Hinsicht als äußerst problematisch charakterisiert werden. Zum einen wandte er die militärische Gewalt in völlig überzogener Weise an, denn die „bolschewistische Gefahr“, derer er sich zu erwehren meinte, war viel geringer, als er annahm. Zum anderen, und das ist vielleicht noch verheerender gewesen, stützte er sich nicht primär auf reguläre Truppen, sondern auf Freikorpsverbände. Diese bestanden überwiegend aus Soldaten und Offizieren, die politisch sehr weit rechts standen und daher weniger für die Republik als gegen den „Bolschewismus“ kämpften.
 
Auch im zweiten großen Thema in Noskes Amtszeit als Reichswehrminister war seine Erfolgsbilanz ernüchternd. Die MSPD war zwar keine pazifistische Partei, da sie die Verteidigungskriege grundsätzlich akzeptierte. Sie hatte aber stets das Ziel verfolgt, die Armee strenger politischer, vor allem parlamentarischer Kontrolle zu unterwerfen. In diesem Punkt traf sie sich auch mit der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), mit der zusammen sowie der katholischen Zentrums-Partei die SPD die Innenpolitik bis 1920 bestimmte.
Noske hatte das Ziel, die Armee zu einem loyalen Instrument der Republik zu machen, und dieses Programm der „Republikanisierung“ hatte im Wesentlichen zwei Ziele:
1) Die Armee sollte unter der Kontrolle eines dem Reichstag verantwortlichen Reichswehrministers stehen
2) der künftige Offiziersnachwuchs sollte auf dem Boden der neuen Staatsform stehen.
Zu beiden Punkten ist zu bemerken, daß Noske es versäumte, tiefgreifende Reformen zur Demokratisierung der Armee durchzuführen. Zwar wurde bereits im Januar 1919 durch Verordnungen und dann durch das vorläufige „Reichswehrgesetz“ vom 3. Juni 1919 und die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 der Primat der Politik im Prinzip festgeschrieben. Im endgültigen „Reichswehrgesetz“ vom 23. März 1921 hieß es daher in § 1 schlicht: „Die Wehrmacht der deutschen Republik ist die Reichswehr“[17]. Damit war der Transformationsprozeß der kaiserlichen Armee in die Reichswehr der Weimarer Republik im wesentlichen abgeschlossen. Der Reichspräsident übte den Oberbefehl aus, der Reichswehrminister hatte die Befehlsgewalt und war dem Reichstag rechenschaftspflichtig. Der „Chef der Heeresleitung“ als höchstrangiger Soldat war dadurch fest in politische Kontrollstrukturen eingebunden.[18] Soweit die Verfassungstheorie – die Verfassungspraxis sah jedoch ganz anders aus, nicht zuletzt, weil das Verhältnis zwischen den Befugnissen des Reichspräsidenten und des Reichswehrministers nicht widerspruchsfrei war.
 
 
4. Die „Ära Seeckt“
 
Das Scheitern des Versuchs der Republikanisierung der Armee lag freilich nicht nur an den Widersprüchen der Reichsverfassung. Es ist eng mit der Person des Generals Hans von Seeckt verknüpft, der seit 1920 zunehmend die Politik der Reichswehr bestimmte.[19] Noch als „Chef des Truppenamts“ im Reichswehrministerium spielte Seeckt eine zwielichtige Rolle während des Kapp-Putsches im März 1920. Mit dem berühmten Satz „Truppe schießt nicht auf Truppe“ weigerte er sich, Reichswehrtruppen zur Niederschlagung des Aufstandes – an dem mit Walter von Lüttwitz auch ein aktiver General führend beteiligt war – einzusetzen, was den Rücktritt des Reichswehrministers Noske und des inzwischen zum „Chef der Heeresleitung“ aufgestiegenen Reinhardt zur Folge hatte. Die Chance, den Primat der Politik gegenüber dem Militär langfristig durchzusetzen, war vertan und kehrte nicht mehr wieder.[20]
 
Reinhardts Nachfolger wurde im Juni 1920 Seeckt. Der „Chef der Heeresleitung“ war faktisch der Generalstabschef der Reichswehr, der nicht so hieß, weil es gemäß dem Versailler Vertrag keinen Generalstab geben durfte. Über Seeckts politisches Denken und seine Haltung gegenüber der Republik ist viel geschrieben worden.[21] Seine Loyalität galt nicht der demokratischen Republik als Regierungsform, sondern einer abstrakten Staatsidee: „’Hände weg vom Heer!’ rufe ich allen Parteien zu. Das Heer dient dem Staat, nur dem Staat, denn es ist der Staat.’“[22] In dieser Äußerung Seeckts von 1929 wird deutlich, daß er Staat und Reichswehr gleichsetzte. In einer Zeit, in der die Gesellschaft durch Demokratisierung und Pluralisierung aus der Sicht des konservativen Offizierskorps zunehmend an Halt zu verlieren schien, maßte sich die Reichswehr an, nicht nur „die Nation“ zu verkörpern, sondern auch die einzige zuverlässige Stütze „des Staates“ zu sein. Das war alles andere als eine „unpolitische“ Haltung und bedeutete im günstigsten Fall die Abstinenz von unmittelbaren Eingriffen in die Tagespolitik. Seeckt war kein „Vernunftrepublikaner“, aber realistisch genug, um sich nicht in unkalkulierbare Abenteuer zu stürzen. Obwohl er am 9. November 1923 von Reichspräsident Ebert die vollziehende Gewalt übertragen bekam, widerstand er der Versuchung, auf dieser Basis eine Militärdiktatur unter seiner Führung zu errichten. Seeckt selbst erblickte in seinem Widerstand gegen die „Republikanisierung“ der Reichswehr den Grund für seine Entlassung im Herbst 1926 und machte dafür den „Gegensatz zwischen dem demokratisch-parlamentarischen System“ und ihm als „dem Repräsentanten des alten Deutschlands und der überragenden Stellung seiner Armee“[23] aus.
 
In den sechs Jahren von 1920 bis 1926 gelang es Seeckt, ein an den traditionellen Werten und Vorstellungen des Kaiserreichs orientiertes, national-konservatives Eliteheer aufzubauen, das später einmal, sobald es die außenpolitischen Bedingungen zuließen, zum Kern eines neuen Massenheeres werden sollte. Weil die Reichswehr entsprechend den Vorschriften des Versailler Vertrages auf 100.000 Mann reduziert werden mußte, konnte das Offizierskorps gezielt so ausgewählt werden, daß seine soziale und mentale Homogenität definitiv größer war als im Ersten Weltkrieg, vielleicht sogar größer als in den letzten Jahren vor 1914.[24] Das Ziel einer Restaurierung der Monarchie trat vor allem für die jüngeren Offiziere allerdings zusehends in den Hintergrund.
Das Wertesystem dieses Offizierskorps läßt sich schnell beschreiben.[25] Im Mittelpunkt standen die klassischen „soldatischen Tugenden“ wie Tapferkeit, Disziplin, Gehorsam und, vor allem, der Glaube an Deutschlands militärische Großmachtstellung, die es so schnell wie möglich wiederzugewinnen gelte. Als größtes Hindernis auf diesem Weg galt den meisten Offizieren das parlamentarisch-demokratische Regierungssystem und die Vielzahl an politischen Parteien. Viele Offiziere entwickelten dabei ein manifestes Feindbild, wie es beispielsweise in einem Schreiben Werner von Fritschs (des späteren Chefs der Heeresleitung unter Hitler) an Joachim von Stülpnagel im November 1924 deutlich wurde: „Denn letzten Endes sind Ebert, Pazifisten, Juden, Demokraten, Schwarzrotgold und Franzosen alles das gleiche, nämlich Leute, die die Vernichtung Deutschlands wollen.“[26] Vor allem unter den jüngeren Offizieren fanden die nationalsozialistischen Ideen Gehör, wie der Prozeß gegen eine Gruppe konspirierender Offiziere im Jahr 1930 zeigte.[27]Aber auch höhere Offiziere wie Walter von Reichenau standen der radikalnationalistischen und völkischen Rechten nahe oder waren, wie Werner von Blomberg, 1933 zur unbegrenzten Kooperation mit der NSDAP bereit.[28] Nur eine verschwindende Minderheit von Offizieren – die bekanntesten waren die ehemaligen Generale Berthold von Deimling und Paul von Schoenaich – fand demgegenüber den Weg ins republikanische Lager und zum Pazifismus.[29]
 
Diese oft als „Staat im Staate“ beschriebene Stellung der Reichswehr und die Abkapselung des Offizierskorps von der Gesellschaft wären nicht möglich gewesen, ohne das Versagen der Politiker und Parteien. Der von 1920 bis 1928 amtierende Reichswehrminister Otto Geßler von der DDP gab faktisch den Anspruch auf politische Kontrolle der Reichswehr auf und ließ Seeckt freie Hand, und zwar nicht aus Schwäche, sondern aus Überzeugung. Er lehnte die Forderung nach einer Republikanisierung der Armee ab, denn darauf, so verkündete er vor dem Reichstag, gebe es „nach der Verfassung […] gar kein Recht“[30]. Geßler beschied sich mit der Rolle eines Verwaltungschefs, der die Politik ausführen, aber nicht aktiv gestalten wollte.[31] So führt kaum ein Weg an dem Urteil vorbei, daß Geßler aufgrund seiner monarchischen Gesinnung „als Reichswehrminister fehl am Platze war.“[32]
 
Auch die drei großen Parteien, aus deren Zusammenwirken die Weimarer Republik entstanden war, stellten sich den politischen Ambitionen der militärischen Elite nicht entschieden genug in den Weg. Die Militärpolitik der SPD scheiterte vor allem daran, daß zwischen dem linken, militärkritischen Parteiflügel und dem rechten Parteiflügel, der eine Kooperation wünschte mit dem Ziel, eine mit der demokratischen Ordnung versöhnte Reichswehr zu schaffen, keine Einigung herstellbar war. Das wurde nirgends so deutlich wie bei der erbitterten Auseinandersetzung um den Bau des „Panzerkreuzers A“, als die SPD-Reichstagsfraktion die SPD-Minister 1928 dazu zwang, gegen ihre eigene Regierungsvorlage zu stimmen.[33] Auch die DDP war wehrpolitisch nicht sehr aktiv und zudem zerstritten, so daß sie nicht zu einer konsequenten Wehrpolitik fand. In ihr standen sich ebenfalls zwei Lager gegenüber, wobei Anton Erkelenz oder Willy Hellpach für die sehr militärkritische Fraktion standen, während Otto Geßler oder Wilhelm Külz auf der anderen Seite standen. Nicht immer glücklich lavierte der Parteivorsitzende Erich Koch-Weser zwischen diesen beiden Fronten.[34] Auch die katholische Zentrumspartei schließlich verzichtete darauf, eine effektive parlamentarisch-demokratische Kontrolle der Reichswehr einzufordern und enthielt sich aller grundsätzlichen Kritik an der Reichswehr. Entsprechend dem allgemeinen Trend der Zentrumspartei nach rechts näherte sie sich in den späten 1920er Jahren den Forderungen der Reichswehr nach Aufrüstung sogar immer weiter an.[35]
 
 
5. Reichswehr, Aufrüstung und Wehrstaat
 
Das grundsätzliche Ziel der Reichswehrführung, wenn auch in verschiedenen Varianten, war die Aufrüstung, in der Sprache der Zeit auch oft als „Wiederwehrhaftmachung des deutschen Volkes“ bezeichnet. Langfristiges Ziel war die Revision des Versailler Vertrages. Seit 1920 hatte es zu diesem Zweck erste zaghafte Verbindungen zwischen der Reichswehr und der Sowjetunion gegeben, die sich als Folge des Vertrages von Rapallo stark intensivierten. Dabei blieb der Reichspräsident, formal immerhin Oberbefehlshaber der Reichswehr, zunächst uninformiert, ein Vorgehen, das der Reichskanzler Josef Wirth deckte. Als der zukünftige deutsche Botschafter in der Sowjetunion, Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau, in einem Memorandum an Wirth seine Ablehnung der geplanten der Militärkooperation formulierte, verbat sich Seeckt im September 1922 gegenüber Wirth jegliche Einmischung der Politiker in dieser Frage: „Bei allen diesen […] Maßnahmen bleibt die Teilnahme und sogar die offizielle Kenntnis der deutschen Regierung ganz ausgeschaltet. Die Einzelheiten der Verhandlungen sind nur durch militärische Stellen geleitet möglich.“[36]militärische Kooperation mit der Sowjetunion hatte weitreichende Auswirkungen auf die deutsche Außenpolitik, weil sie das Verhältnis zu den Westmächten belastete. Zwar mißlang der Versuch Seeckts, die Entsendung Brockdorff-Rantzaus als Botschafter nach Moskau zu hintertreiben, aber die geheime Militärkooperation konnte weitergehen. Diese war freilich im Alleingang der militärischen Führung nicht möglich. Stets erhielt die Reichswehr die notwendige Rückendeckung durch die Politik, so beispielsweise, als im Spätsommer 1930 Presseberichte über diese geheime Zusammenarbeit kursierten. Die von der Reichswehr forcierte und der Politik gedeckte
Neben die mehr oder weniger geheime Aufrüstung im materiellen Sinn trat auch die Aufrüstung im ideellen Sinn. In den späten 1920er Jahren trat die „soziale Militarisierung“ immer stärker in den Vordergrund.[37] Sie war unter anderem gekennzeichnet von dem Aufschwung paramilitärischer Verbände, die das Erbe der Freikorps aus den Anfangsjahren der Republik antraten. Das galt in besonderer Weise für die Parteiarmee der NSDAP, die SA. Davon wird gleich noch die Rede sein. Hans Mommsen kommt zu dem überzeugenden Schluß, „daß die zivile Militarisierung der deutschen Gesellschaft, der Kult der Gewalt und die Ästhetisierung des Krieges der faschistischen Mentalität den Boden bereiteten“[38].
 
 
6. Der Abschied von der Passivität
 
Die Militarisierung der Politik gewann in den späten 1920er Jahren weiter an Fahrt. Das lag paradoxerweise nicht zuletzt daran, daß die bis 1925 unbestritten dominierende Figur der Reichswehr, Seeckt, dramatisch an Bedeutung verlor. Als Ende April 1925 Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt wurde, richtete sich die Loyalität der Reichswehr fast zwangsläufig auf ihn aus, da er seinen Nimbus als Deutschlands größter Feldherr des Ersten Weltkrieges geschickt zu vermarkten verstand.[39] In seiner Person war die Verschmelzung von oberster politischer und oberster militärischer Autorität vollzogen.
Hinzu kam, daß die Strategie Seeckts, die Reichswehr jenseits von Politik und Gesellschaft in ein selbstgewähltes Ghetto zu führen, an ihr Ende gelangt war. Stand das Duo Geßler/Seeckt für traditionell-konservative Vorstellungen von Krieg, Armee und Gesellschaft, so repräsentierten die neuen „starken Männer“ Groener und Schleicher ein neues Konzept, das den Bedingungen der Militärpolitik im Zeitalter der industriellen Massengesellschaft Rechnung trug.[40] Sie plädierten dafür, die bisherige kühle Distanz zur Republik aufzugeben. Das bedeutete freilich nicht, daß man bereit war, sich in die gegeben Ordnung einzufügen, diese sollte stattdessen durch beharrliche Mitarbeit stillschweigend entsprechend den eigenen Vorstellungen verändert werden. In diesem Sinn etwa schrieb Groener bereits Anfang November 1923, daß es darauf ankomme, „das deutsche Volk mit der Weimarer Verfassung unbeschadet ihrer Verbesserungsbedürftigkeit auf manchen Gebieten auszusöhnen. Verfassungen sind nicht für die Ewigkeit gemacht, sie sind entwicklungsfähig, auch ohne daß es eines revolutionären Umsturzes hierzu bedarf.“[41] Oberst Schleicher, zu dieser Zeit noch ein enger Vertrauter Groeners wurde in einer Denkschrift als Chef der neuen Wehrmachtsabteilung im Reichswehrministerium 1926 noch deutlicher. Die alte Frage, ob die Monarchie oder die Republik die bessere Staatsform sei, hielt er für zweitrangig: „Nicht Republik oder Monarchie ist jetzt die Frage, sondern, wie soll diese Republik aussehen? Und da liegt es doch wirklich auf der Hand, daß sie nach unseren Wünschen ausgebaut werden kann, wenn wir freudig und unermüdlich an diesem Bau mitarbeiten.“[42]
 
Die Zeit zur Umsetzung dieser Vorstellungen kam, als Groener Reichswehrminister in den Jahren 1928-1932 in der Großen Koalition unter Hermann Müller (SPD) bzw. im Präsidialkabinett von Heinrich Brüning (Zentrumspartei) wurde. Die Reichswehr wurde in dieser Zeit jedoch nicht so sehr durch ihn als durch Kurt von Schleicher verkörpert. Dieser war Groener seit langer Zeit beruflich eng verbunden und hatte ihm auch seinen Aufstieg zu verdanken. Als „Chef des Ministeramts“ war Schleicher de facto Staatssekretär des Reichswehrministeriums und damit der Stellvertreter Groeners, bevor er ab Juni 1932 selbst Reichswehrminister und, vom 2. Dezember 1932 bis 28. Januar 1933, schließlich der letzte Reichskanzler der Weimarer Republik wurde. Schleicher war seit 1926, verstärkt dann seit Ende 1929 die treibende Kraft bei der Zerstörung der parlamentarisch-demokratischen Substanz der Weimarer Republik, weil sein Hauptziel die Wiedergewinnung militärischer Stärke für Deutschland war. Das Mißtrauen der Reichswehrführung gegenüber der SPD wurde dadurch gefördert, daß das Preußische Innenministerium unter Carl Severing die geheimen Mobilmachungsplanungen und Grenzschutzaktivitäten der Reichswehr an der deutschen Ostgrenze kritisch beäugte. Im Februar 1923 hatte Severing von Seeckt die Zusage erzwungen, daß die Reichswehr ihre Zusammenarbeit mit den national-konservativen Wehrverbänden beenden würde, was sie freilich nicht tat. Diese Hemmnisse der Wiederaufrüstung bestärkten den Willen der Reichswehrführung und insbesondere Schleichers, das parlamentarisch-demokratische Regierungssystem zu Gunsten autoritärer Präsidialkabinette zurückzudrängen.[43]
 
Für Militärs wie Groener und Schleicher ging es – als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg – darum, die Trennung zwischen Armee und Gesellschaft einzuebnen.[44] Um in einem künftigen „totalen Krieg“ bestehen zu können, so ihre Überzeugung, müsse ein alle Gesellschaftsbereiche durchdringender „Wehrstaat“ geschaffen werden, der es ermöglichen sollte, die gesamten Ressourcen einer Nation in den Dienst der Kriegführung zu stellen. Für ihr Ziel einer raschen Wiederaufrüstung Deutschlands versuchte die Reichswehrführung, die paramilitärischen Wehrverbände – hier vor allem den national-konservativen „Stahlhelm–Bund der Frontsoldaten“ sowie zunehmend auch die SA – für diesen Zweck nutzbar zu machen. Daraus ergab sich die vermeintliche Notwendigkeit, die parlamentarische Demokratie in einen autoritären Ständestaat umzubauen, der sich hauptsächlich darauf ausrichtete, die gesamte Gesellschaft auf den nächsten Krieg vorzubereiten. Wenn in den letzten Jahren der Republik die Reichswehrführung jegliche Hemmungen ablegte und sich in die Tagespolitik begab, dann war das kein Anzeichen dafür, daß sie endlich die neue Ordnung akzeptiert hatte. Vielmehr ging es um eine ganzheitlich verstandene, alle Lebensbereiche umfassende Ausrichtung der Gesellschaft auf den Krieg.
Das Werben um die NSDAP, die in dieses Konzept eingebunden werden sollte, ohne freilich den unbedingten Machtanspruch Hitlers zu erfüllen, war nicht zuletzt darin begründet, daß man glaubte, auf diese Partei und die in ihr organisierten Menschen nicht verzichten zu können. Seit den späten 1920er Jahren hatte die Reichswehrführung auch die Bemühungen um eine Zusammenfassung der verschiedenen paramilitärischen Verbände verstärkte. Diese sollten aus ihrer parteipolitischen Bindung herausgelöst und zu einer von der Reichswehr kontrollierten staatlichen Jugendorganisation umgeformt werden. Diesem Ziel diente auch das im September 1932 gegründete „Reichskuratorium für Jugendertüchtigung“. Nicht nur die Wehrverbände der politischen Rechten, vor allem der „Stahlhelm“, sondern auch das maßgeblich von der SPD geführte „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ näherten sich Ende 1932 den diesbezüglichen Vorstellungen der Reichswehrführung an.[45] Als Groener, der seit Oktober 1931 auch Reichsinnenminister war, im Frühjahr 1932 schließlich ein Verbot der SA verhängte, wurde er zum Rücktritt gezwungen, weil Schleicher immer noch hoffte, die NSDAP für seine Zwecke benutzen zu können.[46]
Doch statt die NSDAP zu „zähmen“, führte die von Schleicher beschleunigte Verschärfung der innenpolitischen Krise durch das Präsidialkabinett unter Franz von Papen nur dazu, daß nach der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 die NSDAP zur stärksten Partei wurde und, zusammen mit der KPD, eine negative Mehrheit im Reichstag besaß; Deutschland war unregierbar geworden. Als Schleicher schließlich versuchte, durch eine nur notdürftig verschleierte Militärdiktatur die Machtübernahme durch Hitler in letzter Minute zu verhindern, versagte ihm Reichspräsident von Hindenburg die dafür notwendigen Vollmachten. Die politische Sonderrolle der Reichswehr war Ende 1932 so überdehnt worden, daß es Hitler danach fast mühelos gelang, die Reichswehr politisch zu entmachten. Das fiel ihm um so leichter, als er der Reichswehr die sichere Aussicht auf einen baldigen neuen Krieg bieten konnte, der die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges revidieren sollte.
 
 
7. Fazit
 
Die Reichswehr hat über die ganze Dauer der Weimarer Republik eine sehr große Rolle gespielt, auch wenn sich die Bedingungen ihres Handelns beständig veränderten. Meistens bereits in der Intention, fast immer aber in der Wirkung war ihr politisches Handeln gegen die Demokratie gerichtet. Insofern war die Reichswehr zwar einerseits Geburtshelferin der Weimarer Republik, andererseits aber auch ihre Totengräberin. Konstant war die Tendenz, Gesellschaft und Politik vom Krieg, das heißt vom Ausnahmezustand her zu denken. Die Armee und der Krieg (bzw. die Vorbereitung auf ihn) wurden als das Zentrum von Nation und Gesellschaft begriffen, die daher zu einer „Kriegsgemeinschaft“ umgeformt werden sollte. Pluralismus und Demokratie hatten in dieser Vorstellungswelt keinen Platz, Politik und Krieg erschienen letztlich als identisch.
 
Dieses Problem stellte sich allerdings nicht nur in Deutschland. Betrachtet man vergleichend das Verhalten des Offizierskorps und die politische Rolle der Armee in Deutschland nach 1918 und Frankreich 1940, so fallen trotz der zahlreichen Unterschiede der historischen Situation, der Traditionen und sozialen Zusammensetzung beider Armeen viele Gemeinsamkeiten auf. Beide negierten die Verantwortung für die Kriegsniederlage; beide erklärten sich für verantwortlich für politische Zukunft des Landes und intervenierten daher in die Politik; beide hielten sich für die wahren Interessenvertreter einer zersplitterten Nation; beide vertraten vorindustrielle Werte und Normen, bereiteten aber dennoch moderne, industrielle Kriege vor. Viel spricht daher für Ernst W. Hansens These, daß die Gründe für das starke Eingreifen der Armeen in die Politik nur begrenzt in der jeweiligen nationalen Geschichte liegen, sondern in der Entstehungszeit der modernen Armeen im 17. und 18. Jahrhundert wurzeln.[47]
Auch andere Charaktersitika der Weimarer Republik erweisen sich bei vergleichender Betrachtung als Phänomene, die – bei allen Unterschieden hinsichtlich Form und Intensität – grundsätzlich gesamteuropäisch waren. Das gilt beispielsweise für den Formenwandel in der Politik in der Zwischenkriegszeit, der sich nicht nur für Deutschland feststellen läßt, sondern für viele Länder Ost- und Mitteleuropas, aber auch des demokratischen Westeuropas.[48] Insofern stellen sich die Fragen zum Verhältnis von Militär und Politik in Deutschland nach 1918 besonders heftig, aber nicht grundsätzlich anders als in vielen anderen Ländern. So lange militärische Gewaltanwendung oder zumindest die Drohung damit ein Mittel staatlicher Politik ist, bleiben die hier am Beispiel der Weimarer Republik erörterten Probleme aktuell.
 
 


[1] Gordon A. Craig, Die preußisch-deutsche Armee 1640-1945. Staat im Staate, Düsseldorf 1960, S. 17 (Originaltitel: The Politics of the German Army 1640-1945, Oxford 1955).
[2] John W. Wheeler-Bennett, Die Nemesis der Macht. Die deutsche Armee in der Politik 1918-1945, Düsseldorf 1954, S. 29 (Originaltitel: The Nemesis of Power. The German Army in Politics, 1918-1945, London 1954).
[3] Vgl. exemplarisch Andreas Hillgruber, Die Reichswehr und das Scheitern der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Erdmann / Hagen Schulze, Weimar. Selbstpreisgabe einer Demokratie. Eine Bilanz bis heute, Düsseldorf 1981, S. 177-192.
[4] Darauf verweist beispielsweise Michael Geyer, Die Wehrmacht der deutschen Republik ist die Reichswehr. Bemerkungen zur neueren Literatur, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 14, 1973, S. 152-199, hier S. 153.
[5] Vgl. Heinrich August Winkler, Grande Storia della Germania. Un lungo cammino verso Occidente, 2 vol. Roma 2004.
[6] Vgl. Gerhard Ritter, Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des „Militarismus“ in Deutschland, 4 Bde., München 1954-1968.
[7] Vgl. Michael Geyer, Aufrüstung oder Sicherheit. Die Reichswehr in der Krise der Machtpolitik 1924-1936, Wiesbaden 1980, S. 228-236.
[8] Vgl. Holger Afflerbach, (Bearb.), Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr im Ersten Weltkrieg. Quellen aus der militärischen Umgebung des Kaisers 1914-1918, München 2005. Afflerbach hält es allerdings für übertrieben, Wilhelm II. als reinen „Schattenkaiser“ zu charakterisieren.
[9] Vgl. Martin Kitchen, The Silent Dictatorship. The Politics of the German High Command under Hindenburg and Ludendorff 1916-1918, Berlin 1966.
[10] Albrecht von Thaer, Generalstabsdienst an der Front und in der O.H.L. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1915-1919, hg. v. Siegfried A. Kaehler u. Helmuth K. G. Rönnefarth, Göttingen 1958; Tagebucheintrag 1.10.1918, S. 235.
[11] Vgl. Gerhard W. Rakenius, Wilhelm Groener als Erster Generalquartiermeister. Die Politik der Obersten Heeresleitung 1918/19, Boppard 1977.
[12] Vgl. William Mulligan, The Creation of the Modern German Army. General Walther Reinhardt and the Weimar Republic, 1914-1930, New York / Oxford 2005.
[13] Vgl. dazu Heinrich August Winkler, Eduard Bernstein und die Weimarer Republik, in: Eduard Bernstein, Die deutsche Revolution von 1918/19. Geschichte der Entstehung und ersten Arbeitsperiode der deutschen Republik, hg. u. eingel. von Heinrich August Winkler und annotiert von Teresa Löwe, Bonn 1998, S. 7-24, hier S. 13-14.
[14] Vgl. Ekkehart P. Guth, Der Loyalitätskonflikt des deutschen Offizierkorps in der Revolution 1918-20, Frankfurt a. M. 1983.
[15] So Rudolf Hilferdings eindrückliche Formel, zitiert nach; Heinrich August Winkler, La Repubblica di Weimar, Roma 1998, S. 690.
[16] Zu Noske vgl. Wolfram Wette, Gustav Noske, Eine politische Biographie, Düsseldorf 1987.
[17] Das „Vorläufige Reichswehrgesetz“ vom 6.3.1919 ist abgedruckt in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, hg. v. Ernst-Rudolf Huber, Bd. 4, Dokumente zur Novemberrevolution und der Weimarer Republik, 3., neu bearb. Aufl. Stuttgart 1991, Dokument 83, S. 85; die Reichsverfassung vom 11.8.1919: Dokument 157, S. 151-179; das Reichswehrgesetz vom 23.3.1921: Dokument 174, S. 202-206.
[18] Einen guten schematischen Überblick über das komplizierte verfassungsrechtliche Struktur, in die die Reichswehr eingebunden war, findet sich bei: Hans-Adolf Jacobsen, Militär, Staat und Gesellschaft in der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Bracher / Manfred Funke / Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Düsseldorf 1987, hier S. 348. Ausführlich zur verfassungsrechtlichen Situation der Reichswehr: Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die Weimarer Verfassung, Stuttgart 1981, S. 578-636.
[19] Zu Seeckt vgl. Hans Meier-Welcker, Seeckt, Frankfurt a. M. 1967.
[20] Vgl. William Mulligan, Civil-Military Relations in the Early WeimarRepublic, in: Historical Journal 45, 2002, S. 819-841.
[21] Vgl. speziell: Claus Guske, Das politische Denken des Generals von Seeckt. Ein Beitrag zur Diskussion des Verhältnisses Seeckt – Reichswehr – Republik, Lübeck/Hamburg 1971.
[22] Zitiert nach Reimer Hansen, Militär und Demokratie in der deutschen Geschichte, Kiel 1970, S. 17.
[23] Aufzeichnung Seeckts vom 14.10.1926, zitiert bei Friedrich von Rabenau, Seeckt. Aus seinem Leben 1918-1936 [Teil 2], Leipzig 1940, S. 558.
[24] Vgl. Hans-Adolf Jacobsen, Militär, Staat und Gesellschaft in der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Bracher / Manfred Funke / Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Düsseldorf 1987, S. 343-368, hier S. 355-358.
[25] Vgl. Gotthard Breit, Das Staats- und Gesellschaftsbild deutscher Generale beider Weltkriege im Spiegel ihrer Memoiren, Boppard 1973, S. 141-158.
[26] Zitiert nach Horst Mühleisen, Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, in: Gerd Ueberschär (Hg.), Hitlers militärische Elite, Bd. 1: Von den Anfängen des Regimes bis Kriegsbeginn, Darmstadt 1998, S. 61-70, hier S. 62.
[27] Vgl. Peter Bucher, Der Reichswehrprozeß. Der Hochverrat der Ulmer Reichswehroffiziere 1929/30, Boppard 1968.
[28] Vgl. Kirstin A. Schäfer, Werner von Blomberg. Hitlers erster Feldmarschall. Eine Biographie, Paderborn 2007.
[29] Vgl. dazu Wolfram Wette (Hg.), Pazifistische Offiziere in Deutschland 1871 bis 1933, Bremen 1999.
[30] Zitiert nach Heiner Möllers, Reichswehrminister Otto Geßler. Eine Studie zu unpolitischer Militärpolitik in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1998, S. 57.
[31] Vgl. Jürgen Schmädeke, Militärische Kommandogewalt und parlamentarische Demokratie. Zum Problem der Verantwortlichkeit des Reichswehrministers in den Weimarer Republik, Lübeck 1966, S. 184.
[32] Hartmut Schustereit, Unpolitisch – Überparteilich – Staatstreue. Wehrfragen aus der Sicht der Deutschen Demokratischen Partei 1919-1930, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 16, 1974, S. 131-172, hier S. 136.
[33] Vgl. Olaf Janke, Die Reichswehrpolitik der SPD in den Jahren 1918-1930. Ursachen und Hintergründe des Scheiterns der sozialdemokratischen Reichswehrpolitik in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1999.
[34] Vgl. Hartmut Schustereit, Unpolitisch – Überparteilich – Staatstreue. Wehrfragen aus der Sicht der Deutschen Demokratischen Partei 1919-1930, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 16, 1974, S. 131-172.
[35] Zimmermann, Wilhelm, Die Wehrpolitik der Zentrumspartei in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1994.
[36] Zitiert nach Manfred Zeidler, Reichswehr und Rote Armee 1920-1933. Wege und Stationen einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit, München 1993, S. 63.
[37] Vgl. Richard Bessel, Militarismus im innenpolitischen Leben der Weimarer Republik: Von den Freikorps zur SA, in: Klaus-Jürgen Müller / Eckardt Opitz (Hg.), Militär und Militarismus in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1978, S. 193-222.
[38] Hans Mommsen, Militär und zivile Militarisierung in Deutschland 1914 bis 1938, in: Ute Frevert (Hg.), Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1997, S. 265-276, hier S. 274.
[39] Zu Hindenburg vgl. Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007.
[40] Zu Schleicher vgl. zuletzt Irene Strenge, Kurt von Schleicher. Politik im Reichswehrministerium am Ende der Weimarer Republik, Berlin 2006, die allerdings die Bedeutung der Aufrüstungsplanungen für Schleichers innenpolitisches Handeln unterschätzt.
[41] Zitiert nach Carsten, Francis L., Reichswehr und Politik 1918-1933, Köln/Berlin 1964, S. 321.
[42] Zitiert nach Carsten, Francis L., Reichswehr und Politik 1918-1933, Köln/Berlin 1964, S. 282.
[43] Vgl. Thilo Vogelsang, Reichswehr, Staat und NSDAP. Beiträge zur deutschen Geschichte 1930-1932, Stuttgart 1962, S. 13-63; Edward W. Bennett, German Rearmament and the West, 1932-1933, Princeton 1979, S. 11-77.
[44] Zu Schleichers innenpolitischen Vorstellungen vgl. Wolfram Pyta, Konstitutionelle Demokratie statt monarchischer Restauration. Die verfassungspolitische Konzeption Schleichers in der Weimarer Staatskrise, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47, 1999, S. 417-441.
[45] Andreas Hillgruber, Militarismus am Ende der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, in: ders., Deutsche Großmacht- und Weltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1977, S. 134-148.
[46] Vgl. Johannes Hürter, „Vor lauter Taktik schlapp?“ Die Personalunion von Wehr- und Innenministerium im Zweiten Kabinett Brüning, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 57, 1998, S. 465-481.
[47] Vgl. Ernst W. Hansen, The Military and the Military-Political Breakdown in Germany 1918 and France 1940, in: Müller, Klaus-Jürgen / Eckardt Opitz (Hg.), The Military in Politics and Society in France and Germany in the Twentieth Century, Oxford 1995, S. 89-109, hier S. 106.
[48] Vgl. die Beiträge in: Hans Mommsen (Hg.), Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsordnung. Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik, Köln 2000.
Die Reichswehr als politischer Akteur in der Weimarer Republik
 
 
„Wir erwarten ganz vergebens, daß der Gemeingeist der Engländer, Franzosen und anderer bei uns erwachen werde, wenn wir nicht dem Militär die Schranken anweisen, welche es in allen Ländern, wo Gemeingeist herrscht, nicht überschreiten darf.“ Dieses Zitat des preußischen Staatsmanns Freiherr vom Stein aus der Zeit der Preußischen Reformen stellte der amerikanische Historiker Gordon A. Craig seiner Studie „Die preußisch-deutsche Armee 1640-1945“ voran. Die Armee habe, so Craig, lange Zeit „ihre autonome Stellung im Staate verteidigt, alle Versuche, ihr verfassungsmäßige Schranken aufzuerlegen, abgewehrt und gerade damit Deutschlands Entwicklung zur Demokratie vereitelt“[1], sich dann jedoch Hitler vollständig unterworfen.
Fast gleichzeitig hatte Craigs britischer Historikerkollege John Wheeler-Bennett dasselbe Zitat des Freiherrn vom Stein zum Anlaß genommen, um über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges nachzudenken. „Kein prophetischeres Wort“, so Wheeler-Bennett, „hätte über die Zukunft Deutschlands gesprochen werden können, und es ist eine tragische Ironie der Geschichte, daß der Mann, dem es gelang, die deutschen militärischen Führer in Grenzen und Schranken zu halten – aber zu ganz anderen Zwecken als denen, die Stein vorgeschwebt hatten –, Adolf Hitler war.“[2]
Wer sich, wie Craig oder Wheeler-Bennett, nach 1945 mit der politischen Geschichte der Weimarer Republik befaßt, tat und tut das vor allem, um Antworten auf die Frage zu finden: warum scheiterte diese erste deutsche Demokratie und wurde vom Nationalsozialistischen Regime abgelöst?[3] Als eine der Ursachen des Scheiterns der Weimarer Republik gilt die Tatsache, daß es weder gelang, die alten Eliten des Kaiserreichs zu entmachten, noch, sie dauerhaft mit der neuen demokratischen Gesellschaftsordnung auszusöhnen. Das trifft nicht zuletzt für die Armee als Institution und für große Teile des Offizierskorps zu, die einen überproportionalen Einfluß auf das Schicksal Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten, weil es nicht gelang, die Armee wirksam und dauerhaft unter politische Kontrolle zu bringen. Der Rückblick auf die Zeit vor 1933 hatte aber auch einen ganz aktuellen Bezug. Denn Mitte der Neunzehnhundertfünfziger Jahre stand die Frage zur Debatte, ob die Bundesrepublik Deutschland wiederbewaffnet und Mitglied der NATO werden sollte. Daher war es nicht nur für die westdeutschen Politiker, sondern auch für die Westalliierten von zentraler Bedeutung, wie die politische Kontrolle der zukünftigen Bundeswehr und ihre Einbindung in ein supranationales Verteidigungsbündnis sichergestellt werden kann.[4]
Aufgrund dieser doppelten Bedeutung ist die politische Rolle der Reichswehr in der Weimarer Republik sehr gut erforscht, vor allem die Frage, welchen Anteil sie an ihrer Zerstörung hatte. Diese Zuspitzung ist ebenso verständlich wie notwendig gewesen, birgt jedoch auch die Gefahr in sich, die Komplexität der Interaktion und gegenseitigen Interdependenz staatlich-politischer, militärischer und gesellschaftlicher Akteure zu reduzieren. Unter Ausblendung der vergleichenden europäischen Perspektive erscheint die Situation der Jahre 1918 bis 1933 in Deutschland auch schnell als ein dramatischer historischer Sonderfall, als Teil eines fatalen, antiwestlichen deutschen „Sonderweges“.[5]
Eine weitere Problematik vieler Darstellungen zum Thema „Reichswehr und Republik“ besteht in einer starken Fixierung auf wenige handelnde Personen. Es reicht jedoch nicht aus, nur jeweils zu fragen, was die kurzfristigen und langfristigen Absichten dieser Personen waren, sondern vor allem, in welchem gesellschaftspolitischen Rahmen sie sich bewegten.
Schließlich sollte bedacht werden, daß es nicht unproblematisch ist, die Kategorien „Militär“ und „Politik“ einander so gegenüberzustellen, als wäre es von vorneherein klar, was damit gemeint ist. Die von Gerhard Ritter vorgenommene klassische Trennung von „Staatskunst und Kriegshandwerk“[6] ist insofern irreführend, als sie den Bedingungen der Militärpolitik im Zeichen des „totalen Krieges“ nicht gerecht wird. Das Verhältnis von Politisierung des Militärs und Militarisierung der Politik war ein von zahlreichen außen- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und Verflechtungen abhängiges Wechselspiel, in dem eine autonome Politik der Reichswehr grundsätzlich nicht möglich war.[7] 
Um diese Probleme zu vermeiden, soll im folgenden untersucht werden, wie die historischen Bedingungen und Strukturen aussahen, in denen die Reichswehr als politischer Akteur in der Weimarer hervortrat, welches ihre politischen Ziele waren und wie sie versuchte, diese zu erreichen. Wichtig ist es dabei, die Reichswehr im Gefüge mit den anderen politischen und gesellschaftlichen Akteuren zu analysieren. Diese Konstellation veränderte sich im Lauf der kurzlebigen Weimarer Republik mehrfach. Sie bestimmten auch die Handlungsmöglichkeiten derjenigen Personen, die an den zentralen Stellen in der Reichswehrführung tätig waren.
 
 
1. Die Weimarer Republik und ihre Phasen
 
Zunächst ist es wichtig, sich die grundsätzliche Konstellation des Verhältnisses der Reichswehr zur Politik und zum politischen System der Weimarer Republik in Erinnerung zu rufen. Die Geschichte der Weimarer Republik wird gewöhnlich in drei Phasen eingeteilt. Die erste Phase war von der revolutionären Umwälzung im November 1918 und von zahlreichen, darauf folgenden politischen Unruhen und ökonomischen Turbulenzen gekennzeichnet. Sie fand ihren Abschluß im „Krisenjahr“ 1923 mit der Niederschlagung Kommunistischer Aufstandsversuche in Mitteldeutschland einerseits und des von Adolf Hitler inszenierten „Bierhallenputsches“ in München andererseits. Die darauf folgende zweite Phase reichte bis 1929/30. Sie war zwar von einer relativen politischen und ökonomischen Stabilisierung geprägt, die aber nicht zu einer dauerhaften Annäherung der verfeindeten politischen Lager führte. Letztlich war die Stabilität der mittleren Phase nur eine Pattsituation, in der keine Seite die andere überwältigen konnte. Wie fragil die innenpolitische Situation in Deutschland war, zeigte sich in der dritten Phase. Diese war wiederum von ökonomischen Turbulenzen (Weltwirtschaftskrise) und politischer Radikalisierung (NSDAP und KPD) gekennzeichnet, die zeitweise bürgerkriegsähnliche Formen annahm. Zugleich entwickelte sich das politischen Systems rasant hin zu einem autoritären Staat, der ab dem 30. Januar 1933 schließlich in die nationalsozialistische Diktatur mündete.
 
Für die Geschichte der Reichswehr waren diese Rahmenbedingungen natürlich von großer Bedeutung, denn in Zeiten politischer Instabilität und des latenten Bürgerkrieges ist das Verhalten der Armee naturgemäß besonders wichtig. Doch neben den allgemeinen politischen Zäsuren kannte die Geschichte der Reichswehr auch ihre eigenen Phasen, die nicht zuletzt von sehr unterschiedlichen Konzeptionen über die Funktion und den Aufbau der Armee sowie ihre Rolle in der Politik geprägt war. Um zu verstehen, was ab Ende 1918 geschah, ist es zunächst notwendig, kurz die Stellung der Armee im Deutschen Kaiserreich und im Ersten Weltkrieg zu beleuchten.
 
 
2. Das Erbe des Kaiserreichs
 
Die Armee hatte im Kaiserreich nicht nur hohes Ansehen genossen, sondern auch eine politische Stellung, die vor allem dadurch gekennzeichnet war, daß zentrale Bereiche politischer Kontrolle durch den Deutschen Reichstag entzogen waren. Die im preußischen Verfassungskonflikt 1862-1866 von Otto von Bismarck durchgesetzte Abwehr parlamentarischer Kontrolle der Armee hatte sich nach 1871 im Kaiserreich fortgesetzt. Es gab auf Reichsebene keinen Kriegsminister. Stattdessen übte der preußische Kriegsminister de facto diese Funktion aus. Daneben gab es auch Kriegsministerien in den drei anderen Königreichen: Bayern, Sachsen und Württemberg. Doch selbst diese Kriegsministerien übten die politische Leitungsfunktion nur begrenzt aus. Sie hatten stattdessen eher den Rang von Verwaltungsbehörden.
 
Die eigentliche Kommandogewalt übte allein der Kaiser aus, ohne die offizielle Möglichkeit irgendeiner Einfluß- und Kontrollmöglichkeit durch irgendeine andere Instanz. Daher waren der Kaiser mit seinem „Militärkabinett“ bzw. „Marinekabinett“, die für die Personalpolitik zuständig waren, und der Große Generalstab, der die militärische Planung koordinierte, die eigentlichen Machtzentren, die die Verbindung von Militär und Politik herstellten. Im Ersten Weltkrieg verlor Wilhelm II. rasant an Bedeutung.[8] Die wichtigsten operativen und strategischen Entscheidungen wurden vom Chef des Generalstabs des Feldheeres getroffen. Seit Paul von Hindenburg dieses Amt im August 1916 von Erich von Falkenhayn übernommen hatte, bildete sich so etwas wie eine „stille Militärdiktatur“[9] heraus, deren führender Kopf Erich Ludendorff als „Erster Generalquartiermeister“ war. Diese Oberste Heeresleitung (die „3. OHL“) sorgte unter anderem dafür, daß zum 1. Februar 1917 der unbeschränkte U-Bootkrieg eröffnet wurde, was die Kriegserklärung der USA gegen Deutschland zur Folge hatte. Damit nicht genug, die OHL war auch die treibende Kraft dafür, daß im Juli 1917 der Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg entlassen wurde, weil er als zu kompromißbereit nach innen und außen erschien.
 
Über den Kriegsverlauf wurden die politische Führung und der Reichstag dagegen im Unklaren gelassen. Daher war es für die politische Führung, aber auch die deutsche Öffentlichkeit ein großer Schock, als Ludendorff am 29. September 1918 bekanntgab, daß der Krieg verloren sei und von den Politikern forderte, ihn sofort zu beenden. In den folgenden Wochen überschlugen sich die Ereignisse, wobei die Armeeführung weiterhin viele Fäden in der Hand behielt. So drängte die Armeeführung darauf, daß das politische System im Oktober 1918 in Richtung auf eine parlamentarische Monarchie hin reformiert wurde. Das geschah aus zwei Gründen. Zum einen hoffte man, dadurch einige Forderungen von Wilsons „14-Punkte-Programm“ zu erfüllen und mildere Friedensbedingungen zu erreichen; zum anderen sollte die Verantwortung für die Kriegsniederlage auf die zivile politische Führung abgeschoben werden. Die Absicht, die Politiker – und hier vor allem diejenigen der SPD, aber auch der Liberalen Parteien und des katholischen Zentrums – zu Sündenböcken der Niederlage zu machen, sprach Ludendorff am 1. Oktober 1918 vor seinen Offizieren klar aus: „Die sollen nun den Frieden schließen, der jetzt geschlossen werden muß. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben.“[10]
 
 
3. Armee und Revolution
 
Als am 29. Oktober 1918 Ludendorff durch Wilhelm Groener abgelöst wurde, begann für die Armee im gewissen Sinn die nach-monarchische Zeit, auch wenn das an diesem Tag noch nicht absehbar war. Denn am Tag zuvor waren die sogenannten „Oktoberreformen“ in Kraft getreten, durch die das Deutsche Reich zu einer parlamentarischen Monarchie wurde, in der in Zukunft der Reichstag wesentlich mehr Rechte haben würde als bisher. Doch am 29. Oktober begann auch die Meuterei der Matrosen der deutschen Hochseeflotte, die sich weigerten, für eine militärisch sinnlose letzte Schlacht gegen die Britische Flotte auszulaufen. In kürzester Zeit breitete sich die Meuterei in der ganzen Marine und schließlich auch im Heimatheer aus, so daß aus der verspäteten Reform der Monarchie eine Revolution wurde.
 
Daß die Armee, ob sie wollte oder nicht, ein zentraler politischer Akteur sein mußte, ergab sich also schon aus der Entstehungssituation der Weimarer Republik, die unmittelbar aus der Kriegsniederlage des Kaiserreiches und dem Sturz der Monarchie hervorging. Im November und Dezember 1918 war es zunächst Groener, der an entscheidender Stelle den unblutigen und weitgehend geordneten Übergang vom Kaiserreich zur Republik mit ermöglichte.[11] Einerseits übernahm Groener die undankbare Aufgabe, den Kaiser zur Abdankung und Flucht ins Exil zu drängen, was ihm später von monarchistischen Offizieren immer wieder zum Vorwurf gemacht wurde. Andererseits stellte Groener sich und die Armee der neuen provisorischen Regierung in Berlin zur Verfügung. Eine weitere, in ihrer Bedeutung häufig unterschätzte Figur, war Oberst Walther Reinhardt, der seit dem 29. Dezember 1918 als letzter Preußischer Kriegsminister amtierte.[12] Auch Reinhardt war bereit, mit der neuen provisorischen Regierung (dem „Rat der Volksbeauftragten“), zusammenzuarbeiten, war aber auch der Anlaß für deren Auseinanderbrechen. Als die linkssozialistische Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) am 3. Januar 1919 aus der provisorischen preußischen Regierung austrat, war die Ernennung Reinhardts zum Preußischen Kriegsminister eine der Ursachen dafür.
 
So wichtig die Handlungen der führenden Persönlichkeiten in diesen Tagen auch gewesen sind, letztlich hatten sie nur begrenzte Handlungsspielräume, die sich hauptsächlich aus den Bedingungen einer hochentwickelten Industriegesellschaft ergaben, in der tiefgreifende Umwälzungen nur um den Preis eines völligen Zusammenbruchs der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung erkauft werden konnten, wie das beispielsweise in Russland seit 1917 zu beobachten war. So prekär die Lage der Arbeiterschaft und anderer unterprivilegierter Schichten auch gewesen sein mag: sie hatten weitaus mehr zu verlieren als nur ihre Ketten, so daß die Aufrechterhaltung der Ordnung auch in ihrem Interesse war.
Der Gedankengang, daß eine Art „Anti-Chaos-Reflex“ die gemäßigt-sozialistische Sozialdemokratische Partei (MSPD) – und erst Recht natürlich die bürgerlichen Parteien – daran gehindert habe, die revolutionäre Situation des November 1918 entschiedener zur umfassenden demokratischen und sozialen Reformen zu nutzen, ist von dem SPD-Theoretiker Eduard Bernstein bereits 1921 formuliert und von Richard Löwenthal weiterentwickelt worden.[13] Sie läßt sich, mutatis mutandis, aber auch zur Erklärung des Verhaltens derjenigen Teile der konservativ-monarchischen Eliten heranziehen, die sich zur Kooperation mit der Republik bereitfanden. Für die Armeeführung hätte jede andere Politik als die der Kooperation eine unverantwortliche Katastrophenpolitik bedeutet, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine völlig unkontrollierbare Dynamik gewonnen hätte. Nicht nur die Arbeiterschaft und die SPD, sondern gerade auch die militärischen Eliten hatten zu viel zu verlieren, um das riskieren zu können.[14]
Angesichts dieser Umstände ist es wenig erstaunlich, daß Groener der relativ sanfte Übergang vom Kaiserreich zur Republik gelang. Ein wichtiger Faktor war, daß Reichskanzler Ebert von der MSPD um jeden Preis verhindern wollte, daß sich die Revolution radikalisierte, wobei die Ereignisse in Rußland seit 1917 als abschreckendes Beispiel dienten. Groener war in gewisser Weise ein idealer Partner für diese Politik, hatte er doch bereits im Weltkrieg als Leiter des „Kriegsamtes“ bewiesen, daß er in der Lage war, den Interessenausgleich zwischen der Armee und verschiedenen politischen Parteien herzustellen. Groener war es schon früh bewußt, daß er auf Dauer nur mit, nicht gegen die Politiker und Parteien – und zwar vor allem auch der SPD und der Arbeiterschaft – der Einfluß ausüben konnte. Wie genau das mythenumrankte Telephongespräch zwischen Ebert und Groener am Abend des 10. November 1918 verlief, ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Auf diese Weise profitierte auch die Armee davon, daß die MSPD weitgehend darauf verzichtete, die ihr durch die Revolution in die Hände gefallene Macht konsequent zur Entmachtung der alten, monarchischen Eliten in Staat, Verwaltung und Militär zu nutzen.
 
Es gab gute Gründe für diese Entscheidung, den Weg der weiterer Reformen statt den einer Anheizung der Revolution zu gehen, doch sie hatte auch einen hohen Preis: Es würde, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, so auch beim Militär keine grundlegende Umformung der Kaiserlichen Armee, keine Demokratisierung ihrer Struktur geben. Die alten Kommandostrukturen blieben intakt und auch die Wirkungsmöglichkeiten der in den letzten Kriegstagen überall entstandenen Soldatenräte blieben begrenzt.
Bei der Abwehr weiterer Reformversuche half Groener die Tatsache, daß die anfänglich so ruhig verlaufene Umsturz der Monarchie seit Ende Dezember 1918 in immer gewaltsamere Bahnen geriet. In Berlin kam es zu ersten blutigen Kämpfen, am 29. Dezember traten die Mitglieder der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) aus der provisorischen Reichsregierung aus, zwei Tage später wurde die Kommunistische Partei (KPD) gegründet und Deutschland trat in eine mehrmonatige Phase bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen ein. Ohne den Einsatz von Militär im inneren wäre es wahrscheinlich nie zur Gründung der Weimarer Republik als liberal-demokratischer, parlamentarischer Verfassungsstaat gekommen.
Das darf freilich nicht mißverstanden werden im Sinne der lange vertretenen These, es habe 1918/19 nur die Alternative zwischen einer blutigen Revolution nach Sowjetrussischem Vorbild einerseits oder einem Zusammengehen der Regierung mit den alten Eliten in Staat und Armee andererseits gegeben. Die intensive Erforschung der revolutionären Anfangszeit der Republik hat gezeigt, daß es tatsächlich Handlungsspielräume gegeben hätte, die zu einer tiefer greifenden Demokratisierung geführt hätten. Sie wurden in der Zeit, als die Politik noch „plastisch“[15] war, nicht genutzt und diese Versäumnisse konnten später nicht mehr ausgeglichen werden. Die MSPD hatte sich aus der Furcht vor der „Bolschewisierung“ Deutschlands stärker als nötig auf die alten Eliten gestützt. Sie schreckte vor vielen gesellschaftlichen Veränderungen zurück, die der Republik eine festere Basis gegeben hätten.
 
Die Sicherung von Ruhe und Ordnung ist eigentlich eine klassische Aufgabe der Polizei, nicht der Armee. Die Polizei unterstand in der Weimarer Republik jedoch den jeweiligen Bundesstaaten. Eine unmittelbare Verfügungsgewalt des Reiches über die Polizei gab es daher nicht und so stand der Reichsregierung allein die Reichswehr als Exekutivorgan zur Verfügung. Über deren Einsatz im Inneren bestimmte der am 29. Dezember 1918 zum „Volksbeauftragten für Heer und Marine“ und am 13. Februar 1919 zum Reichswehrminister ernannte MSPD-Politiker Gustav Noske.[16] Die Art und Weise, in der Noske das Militär zur Niederschlagung der inneren Unruhen einsetzte, muß in zweierlei Hinsicht als äußerst problematisch charakterisiert werden. Zum einen wandte er die militärische Gewalt in völlig überzogener Weise an, denn die „bolschewistische Gefahr“, derer er sich zu erwehren meinte, war viel geringer, als er annahm. Zum anderen, und das ist vielleicht noch verheerender gewesen, stützte er sich nicht primär auf reguläre Truppen, sondern auf Freikorpsverbände. Diese bestanden überwiegend aus Soldaten und Offizieren, die politisch sehr weit rechts standen und daher weniger für die Republik als gegen den „Bolschewismus“ kämpften.
 
Auch im zweiten großen Thema in Noskes Amtszeit als Reichswehrminister war seine Erfolgsbilanz ernüchternd. Die MSPD war zwar keine pazifistische Partei, da sie die Verteidigungskriege grundsätzlich akzeptierte. Sie hatte aber stets das Ziel verfolgt, die Armee strenger politischer, vor allem parlamentarischer Kontrolle zu unterwerfen. In diesem Punkt traf sie sich auch mit der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), mit der zusammen sowie der katholischen Zentrums-Partei die SPD die Innenpolitik bis 1920 bestimmte.
Noske hatte das Ziel, die Armee zu einem loyalen Instrument der Republik zu machen, und dieses Programm der „Republikanisierung“ hatte im Wesentlichen zwei Ziele:
1) Die Armee sollte unter der Kontrolle eines dem Reichstag verantwortlichen Reichswehrministers stehen
2) der künftige Offiziersnachwuchs sollte auf dem Boden der neuen Staatsform stehen.
Zu beiden Punkten ist zu bemerken, daß Noske es versäumte, tiefgreifende Reformen zur Demokratisierung der Armee durchzuführen. Zwar wurde bereits im Januar 1919 durch Verordnungen und dann durch das vorläufige „Reichswehrgesetz“ vom 3. Juni 1919 und die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 der Primat der Politik im Prinzip festgeschrieben. Im endgültigen „Reichswehrgesetz“ vom 23. März 1921 hieß es daher in § 1 schlicht: „Die Wehrmacht der deutschen Republik ist die Reichswehr“[17]. Damit war der Transformationsprozeß der kaiserlichen Armee in die Reichswehr der Weimarer Republik im wesentlichen abgeschlossen. Der Reichspräsident übte den Oberbefehl aus, der Reichswehrminister hatte die Befehlsgewalt und war dem Reichstag rechenschaftspflichtig. Der „Chef der Heeresleitung“ als höchstrangiger Soldat war dadurch fest in politische Kontrollstrukturen eingebunden.[18] Soweit die Verfassungstheorie – die Verfassungspraxis sah jedoch ganz anders aus, nicht zuletzt, weil das Verhältnis zwischen den Befugnissen des Reichspräsidenten und des Reichswehrministers nicht widerspruchsfrei war.
 
 
4. Die „Ära Seeckt“
 
Das Scheitern des Versuchs der Republikanisierung der Armee lag freilich nicht nur an den Widersprüchen der Reichsverfassung. Es ist eng mit der Person des Generals Hans von Seeckt verknüpft, der seit 1920 zunehmend die Politik der Reichswehr bestimmte.[19] Noch als „Chef des Truppenamts“ im Reichswehrministerium spielte Seeckt eine zwielichtige Rolle während des Kapp-Putsches im März 1920. Mit dem berühmten Satz „Truppe schießt nicht auf Truppe“ weigerte er sich, Reichswehrtruppen zur Niederschlagung des Aufstandes – an dem mit Walter von Lüttwitz auch ein aktiver General führend beteiligt war – einzusetzen, was den Rücktritt des Reichswehrministers Noske und des inzwischen zum „Chef der Heeresleitung“ aufgestiegenen Reinhardt zur Folge hatte. Die Chance, den Primat der Politik gegenüber dem Militär langfristig durchzusetzen, war vertan und kehrte nicht mehr wieder.[20]
 
Reinhardts Nachfolger wurde im Juni 1920 Seeckt. Der „Chef der Heeresleitung“ war faktisch der Generalstabschef der Reichswehr, der nicht so hieß, weil es gemäß dem Versailler Vertrag keinen Generalstab geben durfte. Über Seeckts politisches Denken und seine Haltung gegenüber der Republik ist viel geschrieben worden.[21] Seine Loyalität galt nicht der demokratischen Republik als Regierungsform, sondern einer abstrakten Staatsidee: „’Hände weg vom Heer!’ rufe ich allen Parteien zu. Das Heer dient dem Staat, nur dem Staat, denn es ist der Staat.’“[22] In dieser Äußerung Seeckts von 1929 wird deutlich, daß er Staat und Reichswehr gleichsetzte. In einer Zeit, in der die Gesellschaft durch Demokratisierung und Pluralisierung aus der Sicht des konservativen Offizierskorps zunehmend an Halt zu verlieren schien, maßte sich die Reichswehr an, nicht nur „die Nation“ zu verkörpern, sondern auch die einzige zuverlässige Stütze „des Staates“ zu sein. Das war alles andere als eine „unpolitische“ Haltung und bedeutete im günstigsten Fall die Abstinenz von unmittelbaren Eingriffen in die Tagespolitik. Seeckt war kein „Vernunftrepublikaner“, aber realistisch genug, um sich nicht in unkalkulierbare Abenteuer zu stürzen. Obwohl er am 9. November 1923 von Reichspräsident Ebert die vollziehende Gewalt übertragen bekam, widerstand er der Versuchung, auf dieser Basis eine Militärdiktatur unter seiner Führung zu errichten. Seeckt selbst erblickte in seinem Widerstand gegen die „Republikanisierung“ der Reichswehr den Grund für seine Entlassung im Herbst 1926 und machte dafür den „Gegensatz zwischen dem demokratisch-parlamentarischen System“ und ihm als „dem Repräsentanten des alten Deutschlands und der überragenden Stellung seiner Armee“[23] aus.
 
In den sechs Jahren von 1920 bis 1926 gelang es Seeckt, ein an den traditionellen Werten und Vorstellungen des Kaiserreichs orientiertes, national-konservatives Eliteheer aufzubauen, das später einmal, sobald es die außenpolitischen Bedingungen zuließen, zum Kern eines neuen Massenheeres werden sollte. Weil die Reichswehr entsprechend den Vorschriften des Versailler Vertrages auf 100.000 Mann reduziert werden mußte, konnte das Offizierskorps gezielt so ausgewählt werden, daß seine soziale und mentale Homogenität definitiv größer war als im Ersten Weltkrieg, vielleicht sogar größer als in den letzten Jahren vor 1914.[24] Das Ziel einer Restaurierung der Monarchie trat vor allem für die jüngeren Offiziere allerdings zusehends in den Hintergrund.
Das Wertesystem dieses Offizierskorps läßt sich schnell beschreiben.[25] Im Mittelpunkt standen die klassischen „soldatischen Tugenden“ wie Tapferkeit, Disziplin, Gehorsam und, vor allem, der Glaube an Deutschlands militärische Großmachtstellung, die es so schnell wie möglich wiederzugewinnen gelte. Als größtes Hindernis auf diesem Weg galt den meisten Offizieren das parlamentarisch-demokratische Regierungssystem und die Vielzahl an politischen Parteien. Viele Offiziere entwickelten dabei ein manifestes Feindbild, wie es beispielsweise in einem Schreiben Werner von Fritschs (des späteren Chefs der Heeresleitung unter Hitler) an Joachim von Stülpnagel im November 1924 deutlich wurde: „Denn letzten Endes sind Ebert, Pazifisten, Juden, Demokraten, Schwarzrotgold und Franzosen alles das gleiche, nämlich Leute, die die Vernichtung Deutschlands wollen.“[26] Vor allem unter den jüngeren Offizieren fanden die nationalsozialistischen Ideen Gehör, wie der Prozeß gegen eine Gruppe konspirierender Offiziere im Jahr 1930 zeigte.[27]Aber auch höhere Offiziere wie Walter von Reichenau standen der radikalnationalistischen und völkischen Rechten nahe oder waren, wie Werner von Blomberg, 1933 zur unbegrenzten Kooperation mit der NSDAP bereit.[28] Nur eine verschwindende Minderheit von Offizieren – die bekanntesten waren die ehemaligen Generale Berthold von Deimling und Paul von Schoenaich – fand demgegenüber den Weg ins republikanische Lager und zum Pazifismus.[29]
 
Diese oft als „Staat im Staate“ beschriebene Stellung der Reichswehr und die Abkapselung des Offizierskorps von der Gesellschaft wären nicht möglich gewesen, ohne das Versagen der Politiker und Parteien. Der von 1920 bis 1928 amtierende Reichswehrminister Otto Geßler von der DDP gab faktisch den Anspruch auf politische Kontrolle der Reichswehr auf und ließ Seeckt freie Hand, und zwar nicht aus Schwäche, sondern aus Überzeugung. Er lehnte die Forderung nach einer Republikanisierung der Armee ab, denn darauf, so verkündete er vor dem Reichstag, gebe es „nach der Verfassung […] gar kein Recht“[30]. Geßler beschied sich mit der Rolle eines Verwaltungschefs, der die Politik ausführen, aber nicht aktiv gestalten wollte.[31] So führt kaum ein Weg an dem Urteil vorbei, daß Geßler aufgrund seiner monarchischen Gesinnung „als Reichswehrminister fehl am Platze war.“[32]
 
Auch die drei großen Parteien, aus deren Zusammenwirken die Weimarer Republik entstanden war, stellten sich den politischen Ambitionen der militärischen Elite nicht entschieden genug in den Weg. Die Militärpolitik der SPD scheiterte vor allem daran, daß zwischen dem linken, militärkritischen Parteiflügel und dem rechten Parteiflügel, der eine Kooperation wünschte mit dem Ziel, eine mit der demokratischen Ordnung versöhnte Reichswehr zu schaffen, keine Einigung herstellbar war. Das wurde nirgends so deutlich wie bei der erbitterten Auseinandersetzung um den Bau des „Panzerkreuzers A“, als die SPD-Reichstagsfraktion die SPD-Minister 1928 dazu zwang, gegen ihre eigene Regierungsvorlage zu stimmen.[33] Auch die DDP war wehrpolitisch nicht sehr aktiv und zudem zerstritten, so daß sie nicht zu einer konsequenten Wehrpolitik fand. In ihr standen sich ebenfalls zwei Lager gegenüber, wobei Anton Erkelenz oder Willy Hellpach für die sehr militärkritische Fraktion standen, während Otto Geßler oder Wilhelm Külz auf der anderen Seite standen. Nicht immer glücklich lavierte der Parteivorsitzende Erich Koch-Weser zwischen diesen beiden Fronten.[34] Auch die katholische Zentrumspartei schließlich verzichtete darauf, eine effektive parlamentarisch-demokratische Kontrolle der Reichswehr einzufordern und enthielt sich aller grundsätzlichen Kritik an der Reichswehr. Entsprechend dem allgemeinen Trend der Zentrumspartei nach rechts näherte sie sich in den späten 1920er Jahren den Forderungen der Reichswehr nach Aufrüstung sogar immer weiter an.[35]
 
 
5. Reichswehr, Aufrüstung und Wehrstaat
 
Das grundsätzliche Ziel der Reichswehrführung, wenn auch in verschiedenen Varianten, war die Aufrüstung, in der Sprache der Zeit auch oft als „Wiederwehrhaftmachung des deutschen Volkes“ bezeichnet. Langfristiges Ziel war die Revision des Versailler Vertrages. Seit 1920 hatte es zu diesem Zweck erste zaghafte Verbindungen zwischen der Reichswehr und der Sowjetunion gegeben, die sich als Folge des Vertrages von Rapallo stark intensivierten. Dabei blieb der Reichspräsident, formal immerhin Oberbefehlshaber der Reichswehr, zunächst uninformiert, ein Vorgehen, das der Reichskanzler Josef Wirth deckte. Als der zukünftige deutsche Botschafter in der Sowjetunion, Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau, in einem Memorandum an Wirth seine Ablehnung der geplanten der Militärkooperation formulierte, verbat sich Seeckt im September 1922 gegenüber Wirth jegliche Einmischung der Politiker in dieser Frage: „Bei allen diesen […] Maßnahmen bleibt die Teilnahme und sogar die offizielle Kenntnis der deutschen Regierung ganz ausgeschaltet. Die Einzelheiten der Verhandlungen sind nur durch militärische Stellen geleitet möglich.“[36]militärische Kooperation mit der Sowjetunion hatte weitreichende Auswirkungen auf die deutsche Außenpolitik, weil sie das Verhältnis zu den Westmächten belastete. Zwar mißlang der Versuch Seeckts, die Entsendung Brockdorff-Rantzaus als Botschafter nach Moskau zu hintertreiben, aber die geheime Militärkooperation konnte weitergehen. Diese war freilich im Alleingang der militärischen Führung nicht möglich. Stets erhielt die Reichswehr die notwendige Rückendeckung durch die Politik, so beispielsweise, als im Spätsommer 1930 Presseberichte über diese geheime Zusammenarbeit kursierten. Die von der Reichswehr forcierte und der Politik gedeckte
Neben die mehr oder weniger geheime Aufrüstung im materiellen Sinn trat auch die Aufrüstung im ideellen Sinn. In den späten 1920er Jahren trat die „soziale Militarisierung“ immer stärker in den Vordergrund.[37] Sie war unter anderem gekennzeichnet von dem Aufschwung paramilitärischer Verbände, die das Erbe der Freikorps aus den Anfangsjahren der Republik antraten. Das galt in besonderer Weise für die Parteiarmee der NSDAP, die SA. Davon wird gleich noch die Rede sein. Hans Mommsen kommt zu dem überzeugenden Schluß, „daß die zivile Militarisierung der deutschen Gesellschaft, der Kult der Gewalt und die Ästhetisierung des Krieges der faschistischen Mentalität den Boden bereiteten“[38].
 
 
6. Der Abschied von der Passivität
 
Die Militarisierung der Politik gewann in den späten 1920er Jahren weiter an Fahrt. Das lag paradoxerweise nicht zuletzt daran, daß die bis 1925 unbestritten dominierende Figur der Reichswehr, Seeckt, dramatisch an Bedeutung verlor. Als Ende April 1925 Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt wurde, richtete sich die Loyalität der Reichswehr fast zwangsläufig auf ihn aus, da er seinen Nimbus als Deutschlands größter Feldherr des Ersten Weltkrieges geschickt zu vermarkten verstand.[39] In seiner Person war die Verschmelzung von oberster politischer und oberster militärischer Autorität vollzogen.
Hinzu kam, daß die Strategie Seeckts, die Reichswehr jenseits von Politik und Gesellschaft in ein selbstgewähltes Ghetto zu führen, an ihr Ende gelangt war. Stand das Duo Geßler/Seeckt für traditionell-konservative Vorstellungen von Krieg, Armee und Gesellschaft, so repräsentierten die neuen „starken Männer“ Groener und Schleicher ein neues Konzept, das den Bedingungen der Militärpolitik im Zeitalter der industriellen Massengesellschaft Rechnung trug.[40] Sie plädierten dafür, die bisherige kühle Distanz zur Republik aufzugeben. Das bedeutete freilich nicht, daß man bereit war, sich in die gegeben Ordnung einzufügen, diese sollte stattdessen durch beharrliche Mitarbeit stillschweigend entsprechend den eigenen Vorstellungen verändert werden. In diesem Sinn etwa schrieb Groener bereits Anfang November 1923, daß es darauf ankomme, „das deutsche Volk mit der Weimarer Verfassung unbeschadet ihrer Verbesserungsbedürftigkeit auf manchen Gebieten auszusöhnen. Verfassungen sind nicht für die Ewigkeit gemacht, sie sind entwicklungsfähig, auch ohne daß es eines revolutionären Umsturzes hierzu bedarf.“[41] Oberst Schleicher, zu dieser Zeit noch ein enger Vertrauter Groeners wurde in einer Denkschrift als Chef der neuen Wehrmachtsabteilung im Reichswehrministerium 1926 noch deutlicher. Die alte Frage, ob die Monarchie oder die Republik die bessere Staatsform sei, hielt er für zweitrangig: „Nicht Republik oder Monarchie ist jetzt die Frage, sondern, wie soll diese Republik aussehen? Und da liegt es doch wirklich auf der Hand, daß sie nach unseren Wünschen ausgebaut werden kann, wenn wir freudig und unermüdlich an diesem Bau mitarbeiten.“[42]
 
Die Zeit zur Umsetzung dieser Vorstellungen kam, als Groener Reichswehrminister in den Jahren 1928-1932 in der Großen Koalition unter Hermann Müller (SPD) bzw. im Präsidialkabinett von Heinrich Brüning (Zentrumspartei) wurde. Die Reichswehr wurde in dieser Zeit jedoch nicht so sehr durch ihn als durch Kurt von Schleicher verkörpert. Dieser war Groener seit langer Zeit beruflich eng verbunden und hatte ihm auch seinen Aufstieg zu verdanken. Als „Chef des Ministeramts“ war Schleicher de facto Staatssekretär des Reichswehrministeriums und damit der Stellvertreter Groeners, bevor er ab Juni 1932 selbst Reichswehrminister und, vom 2. Dezember 1932 bis 28. Januar 1933, schließlich der letzte Reichskanzler der Weimarer Republik wurde. Schleicher war seit 1926, verstärkt dann seit Ende 1929 die treibende Kraft bei der Zerstörung der parlamentarisch-demokratischen Substanz der Weimarer Republik, weil sein Hauptziel die Wiedergewinnung militärischer Stärke für Deutschland war. Das Mißtrauen der Reichswehrführung gegenüber der SPD wurde dadurch gefördert, daß das Preußische Innenministerium unter Carl Severing die geheimen Mobilmachungsplanungen und Grenzschutzaktivitäten der Reichswehr an der deutschen Ostgrenze kritisch beäugte. Im Februar 1923 hatte Severing von Seeckt die Zusage erzwungen, daß die Reichswehr ihre Zusammenarbeit mit den national-konservativen Wehrverbänden beenden würde, was sie freilich nicht tat. Diese Hemmnisse der Wiederaufrüstung bestärkten den Willen der Reichswehrführung und insbesondere Schleichers, das parlamentarisch-demokratische Regierungssystem zu Gunsten autoritärer Präsidialkabinette zurückzudrängen.[43]
 
Für Militärs wie Groener und Schleicher ging es – als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg – darum, die Trennung zwischen Armee und Gesellschaft einzuebnen.[44] Um in einem künftigen „totalen Krieg“ bestehen zu können, so ihre Überzeugung, müsse ein alle Gesellschaftsbereiche durchdringender „Wehrstaat“ geschaffen werden, der es ermöglichen sollte, die gesamten Ressourcen einer Nation in den Dienst der Kriegführung zu stellen. Für ihr Ziel einer raschen Wiederaufrüstung Deutschlands versuchte die Reichswehrführung, die paramilitärischen Wehrverbände – hier vor allem den national-konservativen „Stahlhelm–Bund der Frontsoldaten“ sowie zunehmend auch die SA – für diesen Zweck nutzbar zu machen. Daraus ergab sich die vermeintliche Notwendigkeit, die parlamentarische Demokratie in einen autoritären Ständestaat umzubauen, der sich hauptsächlich darauf ausrichtete, die gesamte Gesellschaft auf den nächsten Krieg vorzubereiten. Wenn in den letzten Jahren der Republik die Reichswehrführung jegliche Hemmungen ablegte und sich in die Tagespolitik begab, dann war das kein Anzeichen dafür, daß sie endlich die neue Ordnung akzeptiert hatte. Vielmehr ging es um eine ganzheitlich verstandene, alle Lebensbereiche umfassende Ausrichtung der Gesellschaft auf den Krieg.
Das Werben um die NSDAP, die in dieses Konzept eingebunden werden sollte, ohne freilich den unbedingten Machtanspruch Hitlers zu erfüllen, war nicht zuletzt darin begründet, daß man glaubte, auf diese Partei und die in ihr organisierten Menschen nicht verzichten zu können. Seit den späten 1920er Jahren hatte die Reichswehrführung auch die Bemühungen um eine Zusammenfassung der verschiedenen paramilitärischen Verbände verstärkte. Diese sollten aus ihrer parteipolitischen Bindung herausgelöst und zu einer von der Reichswehr kontrollierten staatlichen Jugendorganisation umgeformt werden. Diesem Ziel diente auch das im September 1932 gegründete „Reichskuratorium für Jugendertüchtigung“. Nicht nur die Wehrverbände der politischen Rechten, vor allem der „Stahlhelm“, sondern auch das maßgeblich von der SPD geführte „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ näherten sich Ende 1932 den diesbezüglichen Vorstellungen der Reichswehrführung an.[45] Als Groener, der seit Oktober 1931 auch Reichsinnenminister war, im Frühjahr 1932 schließlich ein Verbot der SA verhängte, wurde er zum Rücktritt gezwungen, weil Schleicher immer noch hoffte, die NSDAP für seine Zwecke benutzen zu können.[46]
Doch statt die NSDAP zu „zähmen“, führte die von Schleicher beschleunigte Verschärfung der innenpolitischen Krise durch das Präsidialkabinett unter Franz von Papen nur dazu, daß nach der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 die NSDAP zur stärksten Partei wurde und, zusammen mit der KPD, eine negative Mehrheit im Reichstag besaß; Deutschland war unregierbar geworden. Als Schleicher schließlich versuchte, durch eine nur notdürftig verschleierte Militärdiktatur die Machtübernahme durch Hitler in letzter Minute zu verhindern, versagte ihm Reichspräsident von Hindenburg die dafür notwendigen Vollmachten. Die politische Sonderrolle der Reichswehr war Ende 1932 so überdehnt worden, daß es Hitler danach fast mühelos gelang, die Reichswehr politisch zu entmachten. Das fiel ihm um so leichter, als er der Reichswehr die sichere Aussicht auf einen baldigen neuen Krieg bieten konnte, der die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges revidieren sollte.
 
 
7. Fazit
 
Die Reichswehr hat über die ganze Dauer der Weimarer Republik eine sehr große Rolle gespielt, auch wenn sich die Bedingungen ihres Handelns beständig veränderten. Meistens bereits in der Intention, fast immer aber in der Wirkung war ihr politisches Handeln gegen die Demokratie gerichtet. Insofern war die Reichswehr zwar einerseits Geburtshelferin der Weimarer Republik, andererseits aber auch ihre Totengräberin. Konstant war die Tendenz, Gesellschaft und Politik vom Krieg, das heißt vom Ausnahmezustand her zu denken. Die Armee und der Krieg (bzw. die Vorbereitung auf ihn) wurden als das Zentrum von Nation und Gesellschaft begriffen, die daher zu einer „Kriegsgemeinschaft“ umgeformt werden sollte. Pluralismus und Demokratie hatten in dieser Vorstellungswelt keinen Platz, Politik und Krieg erschienen letztlich als identisch.
 
Dieses Problem stellte sich allerdings nicht nur in Deutschland. Betrachtet man vergleichend das Verhalten des Offizierskorps und die politische Rolle der Armee in Deutschland nach 1918 und Frankreich 1940, so fallen trotz der zahlreichen Unterschiede der historischen Situation, der Traditionen und sozialen Zusammensetzung beider Armeen viele Gemeinsamkeiten auf. Beide negierten die Verantwortung für die Kriegsniederlage; beide erklärten sich für verantwortlich für politische Zukunft des Landes und intervenierten daher in die Politik; beide hielten sich für die wahren Interessenvertreter einer zersplitterten Nation; beide vertraten vorindustrielle Werte und Normen, bereiteten aber dennoch moderne, industrielle Kriege vor. Viel spricht daher für Ernst W. Hansens These, daß die Gründe für das starke Eingreifen der Armeen in die Politik nur begrenzt in der jeweiligen nationalen Geschichte liegen, sondern in der Entstehungszeit der modernen Armeen im 17. und 18. Jahrhundert wurzeln.[47]
Auch andere Charaktersitika der Weimarer Republik erweisen sich bei vergleichender Betrachtung als Phänomene, die – bei allen Unterschieden hinsichtlich Form und Intensität – grundsätzlich gesamteuropäisch waren. Das gilt beispielsweise für den Formenwandel in der Politik in der Zwischenkriegszeit, der sich nicht nur für Deutschland feststellen läßt, sondern für viele Länder Ost- und Mitteleuropas, aber auch des demokratischen Westeuropas.[48] Insofern stellen sich die Fragen zum Verhältnis von Militär und Politik in Deutschland nach 1918 besonders heftig, aber nicht grundsätzlich anders als in vielen anderen Ländern. So lange militärische Gewaltanwendung oder zumindest die Drohung damit ein Mittel staatlicher Politik ist, bleiben die hier am Beispiel der Weimarer Republik erörterten Probleme aktuell.
 
 


[1] Gordon A. Craig, Die preußisch-deutsche Armee 1640-1945. Staat im Staate, Düsseldorf 1960, S. 17 (Originaltitel: The Politics of the German Army 1640-1945, Oxford 1955).
[2] John W. Wheeler-Bennett, Die Nemesis der Macht. Die deutsche Armee in der Politik 1918-1945, Düsseldorf 1954, S. 29 (Originaltitel: The Nemesis of Power. The German Army in Politics, 1918-1945, London 1954).
[3] Vgl. exemplarisch Andreas Hillgruber, Die Reichswehr und das Scheitern der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Erdmann / Hagen Schulze, Weimar. Selbstpreisgabe einer Demokratie. Eine Bilanz bis heute, Düsseldorf 1981, S. 177-192.
[4] Darauf verweist beispielsweise Michael Geyer, Die Wehrmacht der deutschen Republik ist die Reichswehr. Bemerkungen zur neueren Literatur, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 14, 1973, S. 152-199, hier S. 153.
[5] Vgl. Heinrich August Winkler, Grande Storia della Germania. Un lungo cammino verso Occidente, 2 vol. Roma 2004.
[6] Vgl. Gerhard Ritter, Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des „Militarismus“ in Deutschland, 4 Bde., München 1954-1968.
[7] Vgl. Michael Geyer, Aufrüstung oder Sicherheit. Die Reichswehr in der Krise der Machtpolitik 1924-1936, Wiesbaden 1980, S. 228-236.
[8] Vgl. Holger Afflerbach, (Bearb.), Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr im Ersten Weltkrieg. Quellen aus der militärischen Umgebung des Kaisers 1914-1918, München 2005. Afflerbach hält es allerdings für übertrieben, Wilhelm II. als reinen „Schattenkaiser“ zu charakterisieren.
[9] Vgl. Martin Kitchen, The Silent Dictatorship. The Politics of the German High Command under Hindenburg and Ludendorff 1916-1918, Berlin 1966.
[10] Albrecht von Thaer, Generalstabsdienst an der Front und in der O.H.L. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1915-1919, hg. v. Siegfried A. Kaehler u. Helmuth K. G. Rönnefarth, Göttingen 1958; Tagebucheintrag 1.10.1918, S. 235.
[11] Vgl. Gerhard W. Rakenius, Wilhelm Groener als Erster Generalquartiermeister. Die Politik der Obersten Heeresleitung 1918/19, Boppard 1977.
[12] Vgl. William Mulligan, The Creation of the Modern German Army. General Walther Reinhardt and the Weimar Republic, 1914-1930, New York / Oxford 2005.
[13] Vgl. dazu Heinrich August Winkler, Eduard Bernstein und die Weimarer Republik, in: Eduard Bernstein, Die deutsche Revolution von 1918/19. Geschichte der Entstehung und ersten Arbeitsperiode der deutschen Republik, hg. u. eingel. von Heinrich August Winkler und annotiert von Teresa Löwe, Bonn 1998, S. 7-24, hier S. 13-14.
[14] Vgl. Ekkehart P. Guth, Der Loyalitätskonflikt des deutschen Offizierkorps in der Revolution 1918-20, Frankfurt a. M. 1983.
[15] So Rudolf Hilferdings eindrückliche Formel, zitiert nach; Heinrich August Winkler, La Repubblica di Weimar, Roma 1998, S. 690.
[16] Zu Noske vgl. Wolfram Wette, Gustav Noske, Eine politische Biographie, Düsseldorf 1987.
[17] Das „Vorläufige Reichswehrgesetz“ vom 6.3.1919 ist abgedruckt in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, hg. v. Ernst-Rudolf Huber, Bd. 4, Dokumente zur Novemberrevolution und der Weimarer Republik, 3., neu bearb. Aufl. Stuttgart 1991, Dokument 83, S. 85; die Reichsverfassung vom 11.8.1919: Dokument 157, S. 151-179; das Reichswehrgesetz vom 23.3.1921: Dokument 174, S. 202-206.
[18] Einen guten schematischen Überblick über das komplizierte verfassungsrechtliche Struktur, in die die Reichswehr eingebunden war, findet sich bei: Hans-Adolf Jacobsen, Militär, Staat und Gesellschaft in der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Bracher / Manfred Funke / Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Düsseldorf 1987, hier S. 348. Ausführlich zur verfassungsrechtlichen Situation der Reichswehr: Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die Weimarer Verfassung, Stuttgart 1981, S. 578-636.
[19] Zu Seeckt vgl. Hans Meier-Welcker, Seeckt, Frankfurt a. M. 1967.
[20] Vgl. William Mulligan, Civil-Military Relations in the Early WeimarRepublic, in: Historical Journal 45, 2002, S. 819-841.
[21] Vgl. speziell: Claus Guske, Das politische Denken des Generals von Seeckt. Ein Beitrag zur Diskussion des Verhältnisses Seeckt – Reichswehr – Republik, Lübeck/Hamburg 1971.
[22] Zitiert nach Reimer Hansen, Militär und Demokratie in der deutschen Geschichte, Kiel 1970, S. 17.
[23] Aufzeichnung Seeckts vom 14.10.1926, zitiert bei Friedrich von Rabenau, Seeckt. Aus seinem Leben 1918-1936 [Teil 2], Leipzig 1940, S. 558.
[24] Vgl. Hans-Adolf Jacobsen, Militär, Staat und Gesellschaft in der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Bracher / Manfred Funke / Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Düsseldorf 1987, S. 343-368, hier S. 355-358.
[25] Vgl. Gotthard Breit, Das Staats- und Gesellschaftsbild deutscher Generale beider Weltkriege im Spiegel ihrer Memoiren, Boppard 1973, S. 141-158.
[26] Zitiert nach Horst Mühleisen, Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, in: Gerd Ueberschär (Hg.), Hitlers militärische Elite, Bd. 1: Von den Anfängen des Regimes bis Kriegsbeginn, Darmstadt 1998, S. 61-70, hier S. 62.
[27] Vgl. Peter Bucher, Der Reichswehrprozeß. Der Hochverrat der Ulmer Reichswehroffiziere 1929/30, Boppard 1968.
[28] Vgl. Kirstin A. Schäfer, Werner von Blomberg. Hitlers erster Feldmarschall. Eine Biographie, Paderborn 2007.
[29] Vgl. dazu Wolfram Wette (Hg.), Pazifistische Offiziere in Deutschland 1871 bis 1933, Bremen 1999.
[30] Zitiert nach Heiner Möllers, Reichswehrminister Otto Geßler. Eine Studie zu unpolitischer Militärpolitik in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1998, S. 57.
[31] Vgl. Jürgen Schmädeke, Militärische Kommandogewalt und parlamentarische Demokratie. Zum Problem der Verantwortlichkeit des Reichswehrministers in den Weimarer Republik, Lübeck 1966, S. 184.
[32] Hartmut Schustereit, Unpolitisch – Überparteilich – Staatstreue. Wehrfragen aus der Sicht der Deutschen Demokratischen Partei 1919-1930, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 16, 1974, S. 131-172, hier S. 136.
[33] Vgl. Olaf Janke, Die Reichswehrpolitik der SPD in den Jahren 1918-1930. Ursachen und Hintergründe des Scheiterns der sozialdemokratischen Reichswehrpolitik in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1999.
[34] Vgl. Hartmut Schustereit, Unpolitisch – Überparteilich – Staatstreue. Wehrfragen aus der Sicht der Deutschen Demokratischen Partei 1919-1930, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 16, 1974, S. 131-172.
[35] Zimmermann, Wilhelm, Die Wehrpolitik der Zentrumspartei in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1994.
[36] Zitiert nach Manfred Zeidler, Reichswehr und Rote Armee 1920-1933. Wege und Stationen einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit, München 1993, S. 63.
[37] Vgl. Richard Bessel, Militarismus im innenpolitischen Leben der Weimarer Republik: Von den Freikorps zur SA, in: Klaus-Jürgen Müller / Eckardt Opitz (Hg.), Militär und Militarismus in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1978, S. 193-222.
[38] Hans Mommsen, Militär und zivile Militarisierung in Deutschland 1914 bis 1938, in: Ute Frevert (Hg.), Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1997, S. 265-276, hier S. 274.
[39] Zu Hindenburg vgl. Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007.
[40] Zu Schleicher vgl. zuletzt Irene Strenge, Kurt von Schleicher. Politik im Reichswehrministerium am Ende der Weimarer Republik, Berlin 2006, die allerdings die Bedeutung der Aufrüstungsplanungen für Schleichers innenpolitisches Handeln unterschätzt.
[41] Zitiert nach Carsten, Francis L., Reichswehr und Politik 1918-1933, Köln/Berlin 1964, S. 321.
[42] Zitiert nach Carsten, Francis L., Reichswehr und Politik 1918-1933, Köln/Berlin 1964, S. 282.
[43] Vgl. Thilo Vogelsang, Reichswehr, Staat und NSDAP. Beiträge zur deutschen Geschichte 1930-1932, Stuttgart 1962, S. 13-63; Edward W. Bennett, German Rearmament and the West, 1932-1933, Princeton 1979, S. 11-77.
[44] Zu Schleichers innenpolitischen Vorstellungen vgl. Wolfram Pyta, Konstitutionelle Demokratie statt monarchischer Restauration. Die verfassungspolitische Konzeption Schleichers in der Weimarer Staatskrise, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47, 1999, S. 417-441.
[45] Andreas Hillgruber, Militarismus am Ende der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, in: ders., Deutsche Großmacht- und Weltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1977, S. 134-148.
[46] Vgl. Johannes Hürter, „Vor lauter Taktik schlapp?“ Die Personalunion von Wehr- und Innenministerium im Zweiten Kabinett Brüning, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 57, 1998, S. 465-481.
[47] Vgl. Ernst W. Hansen, The Military and the Military-Political Breakdown in Germany 1918 and France 1940, in: Müller, Klaus-Jürgen / Eckardt Opitz (Hg.), The Military in Politics and Society in France and Germany in the Twentieth Century, Oxford 1995, S. 89-109, hier S. 106.
[48] Vgl. die Beiträge in: Hans Mommsen (Hg.), Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsordnung. Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik, Köln 2000.